Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Hexe von Menzing

Ein Bursche ging einmal zur Nachtzeit zum Kammerfenster seiner Geliebten, die im Dorf Menzing an der Würm wohnte. Als er sich dem Haus näherte, sah er das Zimmer der Dirne hell erleuchtet, und als er neugierig hineinblickte, gewahrte er, wie das Mädchen einen Bund Stroh zusammenrichtete und diesen mit allerlei Bändern und Flitterwerk zierte. Nach einigem Zögern klopfte der Bursche an das Fenster und fragte die Dirne, was sie denn mache. Diese gab zur Antwort: »Ich fahre aus; wenn du mit mir reisen willst, so kannst du dich zu mir setzen; rede aber kein Wort, sonst bist du unglücklich.«

Der Bursche war neugierig, zu wissen, was seine Geliebte treibe, er stieg hinein und setzte sich auf den Bund Stroh mit dem Versprechen, zu schweigen. Das Mädchen nahm eine Büchse aus der Tasche ihres Kleides, bestrich sich und den Geliebten mit einer Salbe die Nase und begann darauf die Reise. Diese ging durch den Kamin hinaus und dann durch die Luft fort und fort in weit entfernte Gegenden.

Da fuhren sie einmal ganz nahe an einem Weinkeller vorüber, wo man eben mit Lichtern beschäftigt war. Da der Zug etwas niedrig ging, glaubte der Bursche, die Leute, die dem Strohbund so nahe kamen, möchten ihn anzünden, und in der Angst schrie er auf. Augenblicklich lag er auf dem Boden, während die Dirne mit dem Strohbund seinen Blicken entschwand und ihre Luftreise unbekümmert um ihn fortsetzte.

Der Keller, bei dem er auf den Boden gelangte, lag bei Wien. Zufällig war der Kellermeister ein alter Bekannter von ihm, den er früher in München kennengelernt hatte. Mit dessen Hilfe gelang es ihm, seine Reise in die Heimat zu bewerkstelligen.

Als er wieder nach Menzing kam, traf er seine Geliebte auf dem Feld bei der Arbeit. Die Vorwürfe, die er ihr machte, rührten sie nicht, sondern sie sprach bloß: »Ich habe dir gesagt, du sollst schweigen; hättest du geschwiegen, so hättest du mit mir auf den Blocksberg zum Tanz fahren können. Ich war dort recht lustig und bin nach vierzehn Tagen schon wieder zu Hause gewesen, während du einen schönen Umweg hast nehmen müssen.«

 


 


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