Aus dem alten Worms am Rheine
Reitet Hollands Königin
An des treuen Dieners Seite
Nach dem Schlosse Trifels hin.
Frühling ist's, der Himmel glänzet
Sonnenhell und dunkelblau,
Muntre Vogellieder klingen,
Und mit Blüten prangt die Au.
Selig ist die junge Fürstin
Aufgewacht zu neuer Lust;
Goldne Frühlingsträume tauchen
Wonnig auf in ihrer Brust.
Lässig ihrer Hand entsunken
Hängt herab des Rößleins Zaum,
Und ihr Auge haftet trunken
An der blauen Berge Saum.
»Seid gegrüßt, ihr lieben Berge,
Von dem Morgenstrahl erhellt.
Sei gegrüßt, du wunderbare,
Lenzgeschmückte Zauberwelt!
Seid gegrüßt, ihr hellen Schlößlein
An des Hügels grünem Rand,
Dessen Fuß die dunkle Föhre
Und der Eichenwald umspannt.
Weg, ihr düstern Heidebilder,
Hollands Meeresstrand und Dün'!
Schöner lebt's sich hier am Rheine,
In der Pfalz so frisch und grün.«
Ruft die Fürstin, und von ferne
Winket ihr der Trifels schon;
Nein, so selig war sie nimmer
Auf dem stolzen Königsthron.
Sieh, da lugt die Rietburg nieder,
Dumpf und düster wie ein Grab!
Weh, von ihrer dunklen Warte
Späht der grimme Feind herab.
Nieder rasselt Kett' und Brücke,
Aufgesprungen ist das Tor;
Aus des Schlosses finstrem Raume
Stürmt ein Söldnerhaufe vor.
Hohn auf ihren blassen Lippen,
Blankes Schwert in brauner Faust!
An der Spitze ragt Graf Hermann,
Der im Schlosse droben haust.
Wilden Mutes stürzen alle
Auf die Königin sich dar,
Reißen ihr die goldne Krone
Aus dem braunen Lockenpaar.
Einer faßt das Roß am Zügel,
Zerrt den Teppich ihm von Leib,
Und ein andrer aus dem Bügel
Reißt das edle Königsweib.
Mag sie jammern, mag sie flehen –
Eisern ist des Grafen Brust!
Weh, schon liegt sie in dem Turme
Leichenblaß, sich unbewußt. –
Jubel nun und wilde Freude
In des Schlosses düstrem Bann,
Denn ein Weib ist ihre Beute,
Das das Schwert nicht führen kann.
Wilde Knechte, blasse Zecher
Feiern froh das Siegesmahl,
Und Graf Hermann schwingt den Becher,
Trunken hebt er sich im Saal:
»Plagt dich, König, Langeweile?
Hol dein Weib, noch ist es Zeit;
Darfst mir grollen, doch vor allem
Sei das Lösegeld bereit!«
Finster ist die Nacht und stille,
Droben hoch kein Sternlein wacht:
Horch, da wird es plötzlich rege,
Und zum Tag erbleicht die Nacht.
Schwerter, Helme, Hellebarden
Tauchen aus dem Dunkel auf,
Und von hüben und von drüben
Zieht heran manch rüst'ger Hauf.
's sind die wackern deutschen Männer
Dort aus Worms, der alten Stadt,
Heute gilt's dem schlimmen Grafen,
Der das Recht verletzet hat.
Seht, die Fackeln sind geschwungen,
Rot und blutig ist der Rhein!
Und die grausen Flammenzungen
Lecken schon am alten Stein.
Turm und Giebel rollen nieder
Nieder sinkt das stolze Schloß,
Und in Ketten vor den Siegern
Liegt Graf Hermann und sein Roß.
Aus des tiefsten Turmes Grunde
Steigt die Königin herfür;
Starr, mit rotgeweinten Augen
Und beraubt der Krone Zier.
Aber trunken sinkt sie nieder
An der Retter treue Brust,
Und ihr Herz schlägt freudig wieder,
Und ihr Blick strahlt neue Lust:
»Dank euch, dank euch, wack're Männer,
Die ihr Schutz dem Fremdling beut,
Wenn der Feind im Hinterhalte
Mit dem Schwerte ihn bedräut.
Ew'ger Segen eurem Lande,
Euren Feldern, euren Au'n;
Ew'ger Segen euren Hütten,
Euren Kindern, euren Frau'n.
Nimmer soll uns Zwiespalt scheiden,
Und der Rheinstrom sei das Band,
Das euch unzertrennlich eine,
Deutsches Land und Niederland!« |