Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Wolfsbacher Geigerlein

Es ging einmal ein Geigersmann von einer Kirchweih nach Hause, auf der er den Leuten bis tief in die Nacht aufgegeigt hatte. Das Männlein ging ohnehin nicht gern auf dem geraden Weg und kam daher auch in dem dicken Forst, durch den es mußte, bald so weit zur Seite ab, daß es am Ende in eine Grube fiel, die der Jäger zum Wolfsfang gegraben hatte. Der Schreck war schon groß genug für den Geiger, da er so ohne weiteres von der Erde hinunter in die Tiefe fuhr; er wurde aber noch größer, als er unten auf etwas Lebendiges auffiel, das wild aufsprang, und da merkte er, daß es ein Wolf sei, der ihn mit glühenden Augen ansah. Der Mann hatte nichts in der Hand als seine Geige, und in der Angst fing er an, vor dem geöffneten Wolfsrachen all seine Stücklein aufzugeigen, die ihm aber diesmal selber gar nicht lustig vorkamen.

Dem Wolf mußte jedoch diese Musik ganz besonders schön und rührend vorkommen, denn das dumme Vieh fing überlaut zu heulen an, was wohl wie bei unseren musikalischen Hunden, wenn sie Sang und Klang hören, gesungen heißen sollte. Die anderen Wölfe draußen im Wald, als sie ihren Kameraden in der Grube so singen hörten, stimmten auch mit ein, und ihr Geheul kam manchmal so nahe, daß das Geigerlein, an dem kaum ein einziger Wolf satt geworden wäre – geschweige zwei –, jeden Augenblick fürchten mußte, es käme noch ein anderer, auch wohl noch ein dritter und vierter Gast zu seinem bißchen Fleisch in die Grube herein. Unser Kapellmeister in der Wüste guckte deshalb ein übers andere Mal in die Höhe, ob's nicht Tag werden wollte, denn das Geigen war ihm sein Lebtag nicht so lang geworden und so ganz sauer und niederträchtig vorgekommen als da vor dem Wolf, und er hätte lieber zwanzig Jahre lang alle Wochentage dafür Holz hacken wollen.

Ehe aber der Morgen kam, waren schon zwei Saiten an seiner Geige gerissen, und als es Tag wurde, riß die dritte, und der Geiger spielte nun bloß noch auf der vierten und letzten, und wäre die auch noch gerissen, so hätte ihm der Wolf, der durch das viele Heulen die ganze Nacht hindurch nur noch hungriger war, keine Zeit mehr gelassen zum Wiederaufziehen, sondern er hätte ihn dabei aufgefressen.

Da kam zum Glück der alte Jobst, der Jäger, der den Wolf schon von weitem singen, den Geiger aber in der Nähe geigen hörte. Dieser zog den Kapellmeister gerade noch zur rechten Zeit vor dem Rachen des hungrigen Wolfs heraus und erlegte dann diesen.

Der Kapellmeister ging aber ganz still seines Weges und nahm sich vor, künftig lieber am Tag und auf geradem Weg nach Hause zu gehen. Das Geigen im Wirtshaus war ihm auch ganz verleidet, so daß er zu seinen Kameraden sagte, er wolle sich lieber mit der Nähnadel – denn er war ein Schneider – sein tägliches Brot ergeigen; und wenn er einmal eins auf Saiten aufspielen wollte, so täte er's lieber in der Kirche als im Wirtshaus, denn von dort sei ein geraderer und sichererer Weg nach Hause; es sei auch nicht so weit dahin als vom Wirtshaus.

 


 


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