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Vor Ingolstadt lag ein feindliches Heer und bedrängte die Feste. Etliche Monate hindurch hatte sich die Besatzung tapfer gehalten, da geschah es durch Unvorsicht oder Feindeshand, daß ein Brand ausbrach. Furchtbar schnell griffen die Flammen um sich, weil zu allem Unglück ein gewaltiger Sturm tobte. Auch ein Kloster frommer Jungfrauen war von dem Brand ergriffen.
Mitten in der Verwirrung, dem Geheul des Sturms und dem Jammer der Glocken eilte eine Klosterfrau in den Garten, wo ein Bild der Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm in einer Nische stand. Da wollte sie auf ihren Knien Gott um Hilfe anrufen, aber welcher Anblick überraschte sie! Ein totes Weib lag auf dem Boden, an dessen offener Brust ein Säugling schlummerte. Die Nonne streckt ihre Arme nach dem nackten Wesen aus, kost es und wärmt es an ihrer Brust; aber das Kindlein jammert und sucht nach der nährenden Mutterbrust.
Da erfüllt die gottgeweihte Jungfrau unsägliches Mitleid, sie wirft sich nieder vor dem Bild der Mutter des Herrn und fleht unter den heißesten Tränen um Hilfe für das arme Würmlein, das sie in den Armen hält. Ihr Gebet ist erhört. Im selben Augenblick durchströmt sie ein nie gekanntes Muttergefühl; unwillkürlich legt sie den Säugling an ihre Brust, und siehe – o Wunder! – das Kindlein wird gelabt und gerettet an dem Busen der keuschen Jungfrau.