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Einmal saß der heilige Ulrich in stiller Zelle des St.-Afra-Stiftes zu Augsburg, vertieft im Lesen der heiligen Schriften. Da läutete es an der Pforte des Hauses, und Konrad, des Bischofs lieber Bruder aus Konstanz, wurde angemeldet. Freudigen Herzens umarmte ihn der Bischof, weil er ihn lange nicht gesehen hatte, und unterhielt sich mit ihm in vertraulichen Gesprächen. Auch wurde ein mäßiges Mahl bereitet, den willkommenen Gast zu erfrischen.
Während sie noch bei Tisch saßen, kam ein Bote des Herzogs von Bayern, der ein Schreiben seines Herrn überbrachte. Der Bischof befahl, den Boten aufs beste zu bewirten, und ließ ihm, im Augenblick nicht bedenkend, daß Fasttag war, gebratenes Fleisch vorsetzen. Der Bote ließ sich das schmecken und nahm auch soviel davon mit auf die Reise, als er konnte.
Unterwegs aber bedachte er, wie er den frommen Bischof von Augsburg in der guten Meinung und Achtung seines Herzogs herabsetzen sollte. Also begab er sich mit dem noch übrigen Stück Braten an den Hof und zeigte es seinem gnädigen Herrn mit den Worten: »Seht doch her, das sind die Fastenspeisen des frommen Ulrich zu Augsburg!«
In dem Augenblick aber, da ihm das Wort entfahren war, hielt er keinen Braten, sondern einen gebratenen Fisch in Händen, so daß er selbst vor Bestürzung kaum seinen Augen traute. Der Herzog aber erkannte wohl das Gottesgericht, wodurch die Ehre des frommen Bischofs gerettet, die Schande des Verleumders aber aufgedeckt worden war. Der Diener bereute es jedoch von Herzen, einen Heiligen Gottes gelästert zu haben, und bat den Herzog kniefällig um Verzeihung.
Zum Angedenken an diese Begebenheit wurde der heilige Ulrich allzeit auf Bildwerken mit einem Fischlein in der Hand dargestellt.