Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Adalbert und Otkar, die Gründer von Tegernsee

Erzählt von M. v. Freyberg.

Adalbert und Otkar, zwei Brüder aus fürstlich burgundischem Stamm, von einer Mutter agilolfingischen Geschlechts, lebten als fromme, erleuchtete, tapfere Männer an König Pippins, ihres Blutsverwandten, Hof. Da begab es sich, daß des Königs Sohn jenen Herrn Otkars in der Hitze des Streites erschlug.

Pippin, die Rache jener Brüder fürchtend – denn sie waren so groß an Macht als an Gesinnung und reich begütert in Bayern und Burgund –, wußte durch eine weise List dem Ausbruch ihres Schmerzes zu begegnen. Noch ehe der Totschlag ruchbar geworden war, versammelte er seine Großen und unter diesen Herrn Otkar bei sich.

Als sie erschienen, sprach Pippin zu jenen: »Wie bedünkt euch wohl, daß einem Übel, dem in keinem Fall abzuhelfen ist, zu begegnen sei?«

Nicht ahnend das Ziel dieser Rede, erwiderte Herr Otkar: »Solches Übel wahrlich ist mit Gleichmut zu ertragen.«

Als ihm nun der König hierauf den entsetzlichen Unfall entdeckte, verhüllte der unglückliche Vater seinen grenzenlosen Schmerz in ein tiefes, anhaltendes Schweigen. Nach langer Trauer aber kamen beide Brüder zu dem Entschluß, der Welt auf immer zu entsagen.

Nun hatten sie schon früher am Tegernsee, im bayrischen Südgau, das Kirchlein St. Salvator auf ihrem Vatergut gegründet. Sie befahlen jetzt, den Wald an dem Ufer des Sees zu lichten, und beschlossen dicht an jener Kirche ein Gotteshaus zu stiften und all ihr Besitztum in diesen Gegenden dem Altar zu weihen. Um aber andächtige Sehnsucht zu stillen und für die zu gründende Kirche ein hoch gefeiertes Heiligtum zu erwerben, erhob sich das erleuchtete Brüderpaar vor allem zu einer Pilgerfahrt nach Rom. Versehen mit St. Winfrieds Briefen, der sie in so herrlichem Entschluß mächtig bestärkte, erreichten sie die sieben heiligen Hügel gerade in dem Augenblick, als jener Königin der Städte durch einen Einfall heidnischer Seeräuber das fürchterlichste Unglück drohte.

Da erhoben sich die gottbetrauten Männer, angeflammt durch die Rede des Hirten der Christen und erschüttert durch die Bedrängnis der Kirche, noch einmal zu Übung ihrer Ritterpflicht; sie stellten sich an die Spitze der Römer, überwanden und züchtigten die Frevler und kehrten mit Siegestrophäen zum Grab der Fürstenapostel zurück. Zum Lohn so herrlicher Tat erbaten sich die frommen Helden nun den Leib St. Quirins vom Heiligen Vater zum Geschenk. –

Quirinus, ein Sohn Kaiser Philipps, hatte, durch seine Mutter Severa zur christlichen Lehre hingewandt, durch Papst Fabian in die Kirche aufgenommen, den Umgang ihrer trefflichsten Bekenner durch zwanzig Jahre genossen. In ihrer Mitte blühte der heilige Jüngling, bis Claudius den Thron der Cäsaren bestieg und die Verfolgung der Christen mit neuer Wut begann. Da wurde denn auch Quirin gewürdigt, ein Blutzeuge Christi zu werden. Der Kaiser ließ ihn ergreifen, peinigen, enthaupten und seinen Körper in den Tiber versenken. Doch der Leichnam wurde durch einen Priester gefunden und im Kirchhof St. Pontiani bestattet.

Aber bald verbreitete sich der Ruf der diesem Grab entströmenden Wunder durch Rom und die Welt. Ja das Zutrauen der Römer zu St. Quirin war nun so hoch gestiegen, daß der Papst Bedenken hatte, in Adalberts und Otkars Bitte öffentlich einzuwilligen. Doch versprach er den erbetenen Schatz einem Boten, den sie später senden sollten, unter dem Siegel des Geheimnisses zu übergeben.

Beruhigt durch diese Zusage kehrten die frommen Brüder mit dem Segen des Papstes über die Alpen zurück. Und während sie nun hier beschäftigt waren, alles für den Empfang des erwählten Patrons ihrer Stiftung zu bereiten, eilte ihr Schwesterssohn Uto nach Rom, um das zugesagte Kleinod in der Stille abzuholen und über die Alpen zu geleiten. Dort, wo das Heiligtum den letzten Abend geruht hatte, unfern des Sees, entsprang eine Quelle voll Heilkraft. So war denn schon die erste Stunde der Ankunft des Patrons segenbringend für die Gegend; alle Bewohner strömten im Festkleid dem Zug entgegen und geleiteten den Sarg mit Gebeten und Hymnen zur Salvatorkirche, wo er ruhen sollte, bis das neue Gotteshaus vollendet war.

Endlich, im Jahre 754 n. Chr., wurde die feierliche Weihe der Klosterkirche vollzogen. Die Bischöfe von Salzburg, Regensburg und Freising verherrlichten das Fest und geleiteten an der Spitze der Priester das Heiligtum aus dem Kirchlein in die Gruft des neuen Tempels. In dieser Stunde vollzogen auch die Stifter ihr Gelübde, der Welt für immer zu entsagen; sie vertauschten ihre Waffen mit dem Ordenskleid Benedikts und legten den Stiftungsbrief nieder auf St. Quirins Altar. Der Papst, der König und der Fürst des Landes genehmigten die heilige Handlung, und nicht minder bestätigten sie den unter Leitung des Bischofs von den Mönchen einstimmig zum Abt gewählten Graf Adalbert in dieser seiner neuen wohlverdienten Würde.

 


 


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