Im Walde lebte Mimer
Und bei den Felsenhöh'n;
Dem kam der kühne Siegfried
In früher Jugendschön'.
Der Meister lehrt' ihn schmieden,
Siegfried war wohlgemut,
Er schlug all die Gesellen
In Lust und Übermut.
Sie fürchteten ihn alle,
Er brächte ihnen Not;
Bald zog er sie an Haaren,
Bald droht' er ihnen Tod.
Mimer, mit klugen Sinnen,
Wußt', wie im finstern Wald
Ein Drache hatte drinnen
Im Fels den Aufenthalt.
Der möchte alle töten,
Daß selbst die Kühnsten flohn.
Der Meister sprach in Nöten:
»Der Knabe spricht uns Hohn,
Er trotzt in seiner Stärke
Und droht uns zu erschlagen,
Er mag sich zu dem Berge
Dort in der Wildnis wagen.«
Sie lobten, was der Meister
In seinen Sinn genommen,
Da war Siegfried, der Dreiste,
In Freuden hergekommen.
Er lachte, als er sahe
Wie sehr ihn alle scheuten,
Er sprach: »Ich diene zagen
Und ungemuten Leuten.
Wie ich nicht Harnisch trage
Und auch kein Sturmgewand,
Wie könnt' ich euch erst schlagen,
Hätt' ich ein Schwert zur Hand.«
Da sprach der Schmied, der kluge:
»Du mußt nicht, wildes Kind,
Dem Meister also trotzen;
Geh in Wald geschwind,
Vorbei dem tiefen Brunnen,
Wo dunkle Weiden stehn,
Der Felsenkluft vorüber
Und wo die Winde wehn.
An einem schroffen Berge,
Auf rundem, grünem Raum,
Umher viele der Eschen
Und mancher Tannenbaum
Und wo ein Wasser fließend
Rund um den Felsen braust
Und um die Bergesspitzen
Manch wilder Adler haust,
Dort sollst du Bäume fällen
Zu meinem Eisenwerk;
Und wenn die Nacht herdämmert,
So bleibe dort im Berg.
Auch Kohlen mußt du brennen,
Daß ich arbeiten mag,
Ich will dir Speise geben
Auf sieben volle Tag,
Daß du nicht dürfest darben,
Umkehren vor der Zeit.«
Siegfried, der Jüngling starke,
War dessen hoch erfreut.
Mimer, der kluge, wußte:
Täglich zur Steineswand
Der Drach' aus seinen Klüften
Zu trinken her sich wand.
Bald gehend und bald springend
Siegfried mit Schritten schnell
Lief nach dem Walde singend;
Es schien die Sonne hell.
Er fand bald nach den Zeichen
Den tief verborgnen Berg,
Begann alsbald mit Freuden
Sein aufgetragnes Werk.
Die Axt klang an den Bäumen,
Ein Feuer er entbrann,
Der Wald und Bach erglänzte,
Nun saß der kühne Mann,
Um auszuruhn verdrossen,
Die Arbeit tat ihm leid;
Eine Lind' breit und große
Gab ihnen Schatten weit,
Drauf sangen viele Vöglein
Darunter ging der Bach;
Auch Rosen blühten rötlich –
Mit Freuden er das sach.
Er nahm die Essensspeise,
Die er da mit sich trug,
Die Mimer ihm bereitet,
Für sieben Tag genug.
Die nahm er wohlgemutet,
Auf einmal er sie aß.
Dann trank er von dem Brunnen
Und ruht' im grünen Gras.
Die Axt warf er von hinnen
Und sah die Blumen an;
Er sprach: »Schlecht Werk ist Schmieden
Und ziemet keinem Mann.
Von Abenteuern, Gefahren
Hört' ich so vieles sagen,
Von manchem wilden Kampfe
In meinen Kindestagen.
O käm' doch aus dem Dunkel
Ein wildes Scheusal her –
Ich bin so wohlgemutet,
Ich achtet' es nicht sehr.
Voll Kraft sind meine Arme,
Ich bin so satt und froh.«
In seinem Übermute
Der Jüngling sprach also.
Da kam in langen Zügen
Der Drache hergewunden;
Vom Strom sah er ihn trinken,
Mit klugem Aug' erkunden
Den Jüngling auf der Wiese,
Den sprang er brüllend an,
Daß fürchterlich erklungen
Weithin der dunkle Tann
Und alle Berge grüne;
Die Adler flogen scheu
Von ihren hohen Nestern,
Geschreckt mit bangem Schrei.
Siegfried sah still das Wunder,
Er von dem Lager sprang;
Der Wurm in weiten Ringen
Zum kühnen Jüngling drang.
Der schützte sich mit Zweigen
Und gab ihm manchen Schlag,
Manch Baum von harten Streichen
Auf des Wurms Rücken brach.
Stahlhart waren die Schuppen,
Die Klauen schwerterscharf;
Siegfried sprang von den Wurme,
Die Zweig' er von sich warf,
Die Axt ergriff er wieder;
Er tat so grimm'gen Schlag,
Daß gleich zu seinen Füßen
Der Drache hauptlos lag.
Ein großer Strom des Blutes
Rann dampfend durch den Grund,
Er färbte dunkel purpurn
Blumen und Sträucher wund
Und sammelte sich nieder
So wie ein großer See.
Siegfriede saß dann wieder,
Der Schlag selbst tat ihm weh.
Die Einsamkeit ward stiller,
Flüsternd ging hin ein Wind
Und strich durch Tann' und Eiche
So kühlend und gelind.
Der Bach ging dahin rieselnd,
Aus Bergen kam ein Schall,
Und widerstreitend lieblich
Sang manche Nachtigall.
Da dünkt' dem jungen Helden,
Er sei im süßen Traum,
Sinnend saß er und denkend
Am grünen Lindenbaum.
Sein Herze strebt' so mutig,
Sein Auge war so hell,
Als er den See schaut' blutig
Neben dem blauen Quell;
Und über sich im Wipfel
Vernimmt er lieblich Schallen,
Es ist Klagen und Girren
Von zweien Nachtigallen.
Und wie er sich besinnet
Und recht den Laut erfand,
Siegfried im Herzen fühlte,
Daß er den Ton verstand.
»Der junge Sohn des Siegmund«,
Sang diese wunderbar,
»Vollbrachte hier ein Großes,
Was schon seit manchem Jahr
Kein Held nicht durfte lösen;
Ihn hat hierhergebracht
Mimer mit seinen Tücken,
Doch dieses nicht gedacht.
Er wird der Held, der kühnste,
Berühmt in aller Zeit,
Er wird der Recke schönste,
Zu Taten hocherfreut,
Seine Jugend, die liebliche,
Erfrischet jeden Mut,
In Schild und Harnisch spielend
Vergießt er vieler Blut.«
Siegfried war froh und staunte,
Da hob die andre an
Im Wechselsang so laute,
Daß widerscholl der Tann.
»Wüßt' er die rechte Märe,
Ihm wär' es noch gelungener,
Er hätte größ're Ehre
Und bliebe unbezwungener,
Wenn er nackend im Blute
Den Leib, den schönen, badete,
Kein Eisen ihn verwundete,
Nicht Lanz' und Schwert ihm schadete.«
Da sprang der Jüngling nacket
In das rauchende Blut,
Er kühlt' im roten Bade
Den heißen Übermut.
Da sang der Vogel girrende
Mit süß klagendem Ton:
»Bald wird das Gold, das schimmernde,
Dir, Siegesmundes Sohn,
Das Drachenbett, das glänzende,
Auf dem der Gift'ge lag,
Sich in den Gluten wälzende,
Ihm schien die Nacht wie Tag;
Die Edelstein', die funkelnden,
Die ihm geleuchtet spat,
Die Lagerstelle wunderlich
Siegfried gewonnen hat.«
Nicht wußte das der Kühne,
Daß sie vom Schatze sungen,
Den dann gewann Siegfriede
Ob von den Nibelungen.
Hell stieg er aus dem Blute,
Da war er schön und groß,
Auch dünkt' er sich an Mute
Den Edelsten Genoss'.
Es mochte keine Wunde
Verletzen je den Mann;
Doch wie er auch vom Blute
Den Zauber sich gewann,
Fiel doch unwissend seiner,
Ein Blatt ab von der Lind',
Ihm zwischen weiße Schultern –
Daran starb Siegmunds Kind. |