Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf (1)

Von Ludwig Braunfels.

              Am Sankt-Johannis-Morgen steigt
Ein Knab' zum Fichtelberge;
Das ist der Tag, der offen zeigt
Den goldnen Schacht der Zwerge
Und wer da fühlet kecken Mut,
Mag rauben aus der Geister Hut,
Wes ihm das Herz gelüstet.

Der Knab' erklimmt in Sprung und Lauf
Die steilsten Bergeshänge;
Und wie er hört vom Dorf herauf
Der Glocken Morgenklänge,
Da fällt des Frührots erster Schein
Wohl auf das kalte Felsgestein
Mit wunderbarem Glänzen.

Und eine Blum' im Goldgewand
Steigt auf am steilsten Orte;
Er pflückt sie – und die Felsenwand
Zeigt plötzlich eine Pforte.
Und von der Blume kaum berührt,
Springt auf das Eisentor; es führt
Hinein zur Geisterkirche.

Auf Silbersäulen dringt empor
Gewölbe von Rubinen;
Ein Hochaltar steht dort im Chor,
Vom Himmelslicht beschienen.
Aus jeder Nische goldner Glanz!
Von Säul' zu Säulen schwebt ein Kranz,
Aus Perlen reich geflochten.

Ein Priester Segensworte spricht
Zum frommen Volksvereine;
Doch sieht der Knab' den Priester nicht
Und nicht die Kirchgemeine.
Dann hebt sich an ein heil'ger Sang
Mit Glockengruß und Orgelklang,
Und wonnig lauscht der Knabe.

Doch eine leise Stimme ruft:
»Frisch auf, du kühner Knabe,
Eh' dir die Kirche wird zur Gruft,
Nimm von der reichen Habe!
Nimm Gold und Perlen und Gestein,
Nimm, wes begehrt das Herze dein,
Nur eil, und kehre nimmer.«

Der Knabe hört's, doch geht er nicht;
Was Gold und Steingeflimmer!
Ihm ist so wohl, so klar und licht,
Und scheiden möcht' er nimmer.
Und wieder ruft's: »Geschwind, geschwind!
Du bist verloren, mein armes Kind!« –
Er bleibt, er lauscht dem Sange.

Mit eins verstummt der Geisterchor,
Und bei dem letzten Halle,
Da wird es Nacht; das Eisentor
Schließt sich mit Donnerschalle.
Da sinkt er hin im goldnen Schacht,
Da ist er in der Zwerge Macht;
Kein Auge sah ihn wieder.

 


 


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