Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Vater und Sohn

Von Isabella Braun.

              Gleich dem Patriarchen Jakob reich an ird'schem Gut und Segen
Wallet Rabbi Eliesar auch auf seinen Lebenswegen;
Doch vor allen seinen Schätzen dünkt ihm einer groß und echt,
Und der eine dieser Schätze ist sein blühendes Geschlecht.

Und von diesem Blütenbaume ist ein Zweiglein, zarter, neuer
Als die andern starken Äste, ihm vor allen wert und teuer;
Dieses Zweiglein ist sein Josef, ist sein holder, jüngster Sohn,
Dem der Geist im Blicke sprühte als ein kleiner Knabe schon.

O mit welchem Vaterstolze, o mit welchem Hochentzücken
Sieht er seines Lieblings Stirne mit dem Kranz der Musen schmücken!
Sieht ihn – Sohn von einem Stamme, viel verachtet und gehöhnt –
Mit der stolzen Doktorwürde in so jungem Jahr gekrönt! –

Aus der Heimat seiner Jugend, von dem rauhen Donaustrande,
Zieht der Jüngling frohen Mutes zu dem schönen, warmen Lande,
Wo der Rhein die Auen tränket, wo die süße Rebe rankt,
Wo im Kuß des Sonnenstrahles Blüt' und Blume holder prangt.

Ziehet in die Stadt der Musen zu der Heidelberger Schule;
Schleudert goldne Geistesblitze von dem hohen Lehrerstuhle,
Daß die jungen Seelen flammen wie die eigne feurig, klar;
Opfernd in Begeisterungen an der Wissenschaft Altar.

Doch auch in des Lehrers Seele ungekanntes Wissen ziehet,
Und ein dichtgewebter Schleier vor dem klaren Geiste fliehet.
Aber nein! Nicht Wissen – Glauben heißt des Sternes Wunderlicht
Das durch seiner Seele Dunkel, alles rings verklärend, bricht. –

Nicht allein in Blitz und Donner, nicht allein in düstrer Wolke
Siehet er den Gott der Väter, wie er zeigte sich dem Volke,
Als es um den Berg gestanden zu empfahen sein Gebot:
Nein – aus seiner Kindheit Glauben steigt ein neues Morgenrot.

Denn vor seinem Geistesauge jene Bilder sich verweben,
Wie in seiner ew'gen Liebe Gott den Sohn dahingegeben,
Daß er alle Menschen trage himmelwärts mit Hirtenhuld,
Daß er tilge durch sein Leiden all die schwere Menschenschuld.

Und der Lehrer wird zum Jünger, wird zum demutsvollen Lamme,
Das der Heiland sich erkaufet blutig an dem Kreuzesstamme;
Wird zum Jünger, der in Liebe umgewandelt fühlt den Hohn;
Der ans Herze schlägt und rufet: »Wahrlich! Das ist Gottes Sohn!« –

Doch dieweil in Josefs Blicken Himmelsklarheit webt und leuchtet,
Hat mit Tränen diese Kunde seines Vaters Aug' befeuchtet;
Und dieweil des Sohnes Lippe seinem Heiland Lieder singt –
Aus des Vaters bleichem Munde sich die herbe Klage ringt.

Und dieweil ein neues Leben ist dem Sohne aufgegangen,
Seufzet Vater Eliesar in des Todes Qual und Bangen;
Doch dieweil der Jude fluchend an den Sohn, den fernen, denkt –
Dieser voller Kindesliebe heimwärts seine Schritte lenkt. –

An dem Sterbelager kniet Josef mit gefalt'nen Händen;
Nicht kann er sein weinend Auge von des Vaters Blicken wenden,
Die seit seiner Kindheit Tagen stets so warm auf ihm geruht
Und nun in dem letzten Scheiden sprühen wilde Hassesglut.

Seine frommen Augen flehen um des Vaters letzten Segen,
Und er faßt die welken Hände, daß sie auf sein Haupt sich legen;
Da erhebt mit letzten Kräften sich der Vater noch einmal,
Und ein Fluch dringt aus den Lippen, flammet in des Auges Strahl.

Ja ein Fluch, ein grausenhafter, donnert durch die Sterbestunde,
Fluch dem milden Christengotte, Fluch dem ganzen Christenbunde,
Fluch dem heil'gen Kreuzeszeichen, das die starre Weit besiegt,
Fluch dem ganzen, ganzen Volke, das vor ihm anbetend liegt.

Und ein Fluch dem bleichen Sohne, kniend an dem Sterbebette,
Kniend mit erhobnen Händen in versöhnendem Gebete. –
Sieh – da ist die Kraft gebrochen! – In dem grausenhaften Fluch
Sinket Rabbi Eliesar sterbend in das Leichentuch. –

Aber stille kniet der Jüngling immer vor des Vaters Leiche,
Blicket ins gebrochne Auge, in das Antlitz, in das bleiche;
Auf den Flügeln des Gebetes möchte er des Vaters Herz,
Möcht' er die entfloh'ne Seele heben, tragen himmelwärts!

 


 


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