»Walther von der Vogelweide
Nennt mich alten Mann die Welt,
Und ein Weidplatz, wenn ich scheide,
Sei den Vögelein bestellt.
Meinen Leichnam zu bedecken,
Wählet einen flachen Stein,
Und vier Höhlen an den Ecken
Meißelt tief und sauber ein.
Füllet täglich diesen Becher
Mit des Baches reiner Flut
Für die höchst bescheidnen Zecher,
Denen Wasser Gnüge tut.
Und auf meines Grabsteins Mitte
Streut zugleich des Weizens Frucht,
Daß die Schar zu Gast sich bitte,
Die oft mühvoll Nahrung sucht.«
Als der gute Minnesänger
Sein Vermächtnis so gemacht,
Stundet ihm der Tod nicht länger
Seinen Gang ins Reich der Nacht.
Und in Würzburg, an dem Orte,
Wo er hauste lange Zeit,
Ward ihm vor des Münsters Pforte
Seine Ruhestatt geweiht.
Ihre grünen Arme streckten
Hohe Linden drüberhin,
Und die Vögelein entdeckten
Bald den reichen Fruchtgewinn.
Freudig flogen sie hernieder,
Labten sich mit Speis' und Trank,
Schwirrten auf die Bäume wieder,
Sangen dort dem Geber Dank.
Doch erlebte dies Vermächtnis
Leider nur ein nahes Jahr,
Ob's zu ewigem Gedächtnis
Gleich unlängst gestiftet war.
Denn der Chorherrn böses Geizen
Unterbrach der Spende Lauf,
Und sie sammelten den Weizen
Für sich selbst zu Kuchen auf.
Auch das Wasser ließ man fehlen,
Das behielten Quell und Bach;
Jene weingewohnten Kehlen
Sehnten nimmer sich danach. |