Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Seebraut zu Starnberg

Von Saphir.

              Es lebet im Volke die greuliche Mär –
Es wird sie ein jeder wohl wissen –,
Der See dort zu Starnberg gibt nimmermehr her,
Was er in die Tiefe gerissen;
Die Toten, die sonst kein Gewässer behält,
Die gibt dieser See nicht zurück mehr der Welt,
Er stellet sie aufrecht im schilfigen Grunde,
So schauen's die Fischer zur heimlichen Stunde.

Es lebte ein Fischer, so jung und so schön,
In Starnberg dort, nah an dem Strande,
Er hatte ein Mädchen zur Lieb' sich ersehn,
Das herzigste Mädchen im Lande;
Ihr Vater, der lebte in Berg auf dem Schloß,
War stolz auf sein Geld, auf sein Jägerschloß,
Wollt' nimmer und nimmer es willig gestatten,
Die Tochter Aline dem Fischer zu Gatten.

Die Tochter Aline, in Liebe entbrannt,
Fährt nächtlich im See auf dem Nachen;
Es liegen die Ufer im Schlummergewand,
Die Sterne der Liebe nur wachen;
Von drüben herüber, da schimmert ein Kahn,
Der Fischer durchschneidet die willige Bahn;
Inmitten des Sees, da finden sich beide
Und herzen und kosen in Lust und in Freude

Und schwören sich Treue in Leben und Tod
Und haben des Schwörens kein Ende,
Bis mahnend des Morgens frühzeitiges Rot
Umsäumet die felsigen Wände.
Allnächtlich also zu derselbigen Stund'
Erneuen sie schwörend den heiligen Bund;
Es scheinen die Wellen viel stiller zu rauschen,
Den Schwänen der Liebe als Zeugen zu lauschen.

Als einmal Aline zurückschifft ans Land,
Bis tagend die Dämm'rung soll enden,
Da weilet ihr Vater ergrimmt schon am Strand
Und faßt sie mit wütenden Händen
Und sperret sie einsam ins ferne Gemach,
Bestellet zwei Diener zu Hut ihr und Wach',
Auf daß sie nicht wieder allnächtlich entrinne,
Den Fischer nicht wieder im Nachen gewinne.

Und morgen zur Nachtzeit, da harret er lang,
Der treue, inmitten des Sees,
Er harret und harret so peinlich und bang,
Voll Sehnsucht und liebenden Wehs;
Er lauscht durch die Dämmerung freundlichen Flor –
Kein Ruderschlag tönt an sein lauschendes Ohr,
Kein Nachen durchpflügt die geebneten Wellen,
Die Herzallerliebste ihm zuzugesellen!

Die andere Nacht zu derselbigen Zeit
Kommt wieder der Fischer gezogen,
Er sitzet im Nachen mit bitterem Leid
Und weinet hinein in die Wogen;
Sein Auge ist sehnend nach jenseits gespannt,
Da stößet kein Fahrzeug vom finsteren Strand;
Er harret und harret, bis wieder Aurore
Erschließet des Morgenrots flammende Tore.

Es kehret der Fischer in jeglicher Nacht
Zurück zu der nämlichen Stelle;
Ob Sturmeswind tobt, ob der Mondenschein lacht,
Sein nächtliches Reich ist die Welle.
Bewegungslos sitzt er im schaukelnden Boot
Und weinet die Augen sich brennend und rot
Und harret und harret, ob nimmer geschwommen
Die süße Geliebte im Nachen will kommen!

Und vierzig der Nächte, noch zagend und bang,
Saß harrend der Fischer im Nachen,
Sein Auge war trübe und bleich seine Wang'
Von Trauern und Weinen und Wachen;
Sein Herz ist von Sehnsucht und Gram ihm zerstückt,
Sein Sinn ist von Qual und von Schmerz ihm berückt,
Es faßt ihn tiefsinnig ein Weh und ein Trauern,
Es faßt ihm die Seele mit eisigen Schauern.

Und schwarzes Gewölke verfinstert die Nacht,
Der Sturm hat den Fittig entfaltet,
Der zürnende Donner rollet und kracht,
Vom Blitz wird das Dunkel gespaltet;
Er spaltet mit Flammen die brausende Flut,
Da lodert der See wie ein Becken voll Blut,
Und stille und bleich, von den Flammen umflogen,
Sitzt harrend der Fischer inmitten der Wogen.

Da zuckt hernieder ein flammender Strahl,
Die Felsen erzittern und wanken,
Da faßt es den Fischer mit Schauern zumal,
Es wirren ihm bang die Gedanken;
Er ruft in den See 'nein mit Wahnsinn und Schmerz:
»Du rufst mir, mein Liebchen? Ich komme, mein Herz!«
Und stürzt sich hinab mit wollüstigem Grausen
Ins schäumende Grab voll Toben und Sausen!

Derselbige Strahl hat mit kochender Wut
Das Schloß hoch zu Berg dort getroffen;
Aline befreiet die wachsende Glut,
Und Riegel und Tür stehn ihr offen.
Sie stürzet hinunter durch Regen und Wind,
Sie stürzt zu dem Strande hinunter geschwind
Und stürzt in den Nachen mit fliegenden Haaren,
Durch Regen und Nacht zum Geliebten zu fahren.

Da teilt sich voll Mitleid der wolkige Flor,
Der Himmel wird freundlich und milde,
Die Blume des Mondes blüht silbern hervor,
Beleuchtet das Wassergefilde.
Da zieht durch die Fluten Aline im Kahn
Und teilet die Welle, ein sinniger Schwan,
Und rudert und rudert mit Hast und mit Keuchen,
Die Stelle der Liebe nur bald zu erreichen.

Und als sie die Stelle mit Angst hat erreicht,
Steht leer da der wartende Nachen;
Entsetzen ergreift sie, ihr Odem entweicht,
Die Geister der Ahnung erwachen;
Es rinnt durch die Adern ihr eisig das Blut,
Sie starret hinab durch die lautere Flut
Und schauet mit Wahnsinnslust und mit Wehen
Im schilfigen Boden den Liebsten da stehen.

Und wie dann das Wasser die Arme ihm hebt,
So scheint er nach ihr zu verlangen,
Sie wird von unendlicher Sehnsucht umwebt,
Von Liebe und Irrwahn umfangen;
Ruft leise hinunter: »Mein Liebster, bist wach?
Bereite nur schnell das kristallne Gemach,
Dein Bräutchen kommt endlich zur Hochzeit gezogen!«
Und stürzt sich mit Freude ins Bette der Wogen.

Da stehen sie unten und schauen sich an,
Von Zweigen hochzeitlich umwoben.
Und spület die Welle ein Opfer heran,
Heruntergestürzet von oben –
Der, sagen sie, kommt zu der Hochzeit als Gast,
Der wird von ihnen ganz wirtlich erfaßt
Und schlinget mit ihnen den gastlichen Reigen –
Am Boden tief unten in hängenden Zweigen.

Das ist im Volke die greuliche Mär –
Es wird sie ein jeder wohl wissen –,
Der See dort zu Starnberg gibt nimmermehr her,
Was er in die Tiefe gerissen;
Die Toten, die sonst kein Gewässer behält,
Die gibt dieser See nicht zurück mehr der Welt;
Er stellet sie aufrecht im schilfigen Grunde,
Es schauen's die Fischer zur heimlichen Stunde.

 


 


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