Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die beiden Baumeister zu Wasserburg

In der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wurde das Wasserburger Rathaus erbaut. An die Geschichte dieses Baus knüpft sich eine schöne Sage.

Zu Wasserburg sollten zu gleicher Zeit eine Kirche und ein Rathaus erbaut werden. Also berief man Steinmetzen und Bauleute zuhauf und trug den Meistern auf, des Geschäftes nicht zu säumen. Es waren aber zwei wackere Steinmetzen, Hans und Stefan mit Namen, die hatten das Werk übernommen, so daß der ältere, Hans, den Bau der Kirche, der jüngere, Stefan, den Bau des Rathauses zu führen hatte. Beide waren wohlerfahren in ihrer Kunst; sie waren auch in Welschland und sonst mitsammen bei manchem herrlichen Werk tätig gewesen. Nun führte sie die Vorsehung abermals zusammen; das erkannten sie freudig und reichten sich die Hand zu treuer Freundschaft und schworen einander, ohne Haß und Eifersucht als gute Brüder zusammenzuhelfen. Weil aber jegliches Werk seinen Lohn will, wenn es guten Fortgang und rechtes Gedeihen haben soll, so wurde demjenigen ein Preis zugesprochen, der von beiden zuerst sein Werk – jedoch untadelig und würdig – vollendet hätte.

Wollt ihr wissen, was das für ein Preis gewesen ist? Wohl ein sonderlicher Preis; nicht von Gold und Silber noch eine Ehrenbezeugung, sondern eine Perle, kostbarer als all dies – des Bürgermeisters schönes, holdseliges Töchterlein. Es war eine liebreizende Jungfrau, edel von Gemüt, reich an väterlichem Gut, jedoch reicher an Tugenden. Die beiden Steinmetzen hatten zu gleicher Zeit ihre Augen auf das Mägdlein geworfen; dem Vater war's nicht verborgen geblieben. Weil aber beide rechtschaffene und kunstfertige Leute waren, wollte der Bürgermeister nichts dagegen haben, wenn sein Töchterlein den einen oder den anderen zum Bräutigam bekäme; er versprach also demjenigen die Braut, der zuerst mit seinem Bau fertig würde.

Nun war aber das Bräutlein selber noch nicht befragt worden; die hatte in ihrem Herzen für den jüngeren Stefan entschieden.

Das Glück fügte es auch, daß Stefan zuerst mit seinem Bau fertig wurde. Noch fehlte die Spitze des Kirchturms, da stand das Rathaus vollendet da. Der Wettstreit war entschieden; Stefan sollte die schöne und reiche Tochter des Bürgermeisters als Braut heimführen. Das war wohl eine harte Freundschaftsprobe. Hans trug sein Schicksal ohne Neid und Groll, dem Freund ergeben wie zuvor.

Aber das konnte Stefan nicht mit ansehen. Es war ihm nicht wohl dabei, im Glück zu sitzen, während sein Freund unglücklich war. So ging er traurig und mißmutig umher und dachte bei sich, wie er den Jammer loswerden könnte.

Eines Tages war er verschwunden; in seiner Stube fand sich statt seiner sein steinernes Bild, dazu eine Schrift, in der er Braut und Freund den letzten Gruß gab, auch seinen Entschluß kundmachte, in ein fernes Kloster zu ziehen. – Ob Hans die verlassene Braut heimgeführt hat, davon schweigt die Sage, aber das Bildnis des treuen Stefan ist bis auf diesen Tag im Rathaus zu Wasserburg aufbewahrt.

 


 


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