Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Karab bei Harburg

Wenn man von Donauwörth an der Wörnitz hinauf die Straße in das Ries verfolgt, so sieht man am rechten Ufer dieses Flusses eine Reihe von Hügeln sich erheben, die sich fernhin in die Wälder verlieren. Diese Gegend nennt man die Karab.

Vor vielen hundert Jahren lebte hier eine Gräfin von Leuchtenberg, der weithin die ganze Landschaft zu eigen war. Da geschah es, daß sie in den Tagen des Herbstes auf der Karab jagte, aber bei der Lust des Jagens sich von ihren Dienern entfernte und einsam und verlassen durch die dunklen Forste irrte. Umsonst ließ sie ihr Hifthorn durch die Wildnis ertönen – niemand hörte sie; immer dichter wurde der Wald und immer tiefer die Nacht.

So von jeder menschlichen Hilfe verlassen, wandte sie ihren Blick nach oben und tat das Gelübde, alle diese Wälder, die ihr gehörten, demjenigen Ort auf ewige Zeiten zu schenken, von dem sie zuerst Glockengeläut vernehmen würde, das sie sicher nach Hause geleiten könnte. Kaum hatte sie dieses fromme Gelübde in ihrer Seele vollzogen, da tönte fernher durch die Nacht Glockenklang zu ihren Ohren: es war das Geläut der Harburger Kirche. Die Gräfin folgte dem himmlischen Klang und gelangte wohlbehalten zu den Ihrigen. Dem Gelübde treu schenkte sie den der Gemeinde Harburg, die seitdem im Besitz der Karab geblieben ist.

Anders wird diese Schenkung in der Klosterchronik von Donauwörth berichtet: Im dreizehnten Jahrhundert lebte eine gräfliche Witwe namens Hilaria auf ihren Gütern zu Lederstadt am Schellenberg bei Donauwörth. Ihr Sohn hatte sich gegen ihren Willen mit einem Edelfräulein verheiratet, worüber die Gräfin so aufgebracht wurde, daß sie den ruchlosen Entschluß faßte, ihre Schwiegertochter beiseite zu schaffen.

Bald ergab sich eine Gelegenheit, die grauenvolle Tat zu vollführen. Die junge Gräfin unternahm eine Reise nach dem Rhein, ohne die mindeste Ahnung, daß sie diese Reise dem frühen Tod zuführen sollte. Die sie begleitenden Diener, von Hilaria bestochen, stürzten die Gräfin bei der Fahrt über den Rhein ins Wasser. Ihr unglücklicher Gemahl wußte, als er die Nachricht erfuhr, seines Jammers kein Ende und folgte der Hingeschiedenen bald ins Grab.

Da stand nun Hilaria in ihrem hohen Alter allein und verlassen auf der Welt, ohne Erben ihrer reichen Besitzungen, ohne Frieden in ihrem Herzen. Von Gewissensbissen gefoltert, wollte sie die Blutschuld durch fromme Vermächtnisse sühnen und überließ zu diesem Zweck den großen, 2400 Tagwerke haltenden Forst am Schellenberg der Stadt Donauwörth; einen zweiten schenkte sie der Gemeinde Wertingen und auf gleiche Weise die Karab der Stadt Harburg mit der Verbindlichkeit, daß zu ewigen Zeiten für ihr Seelenheil Stiftmessen gelesen und gewisse Gebete verrichtet würden.

In Donauwörth ist in der Tat die Frühmesse auf den dortigen Forst gestiftet, ebenso in Wertingen, und des Namens der Stifterin wird in den herkömmlichen Gebeten noch gedacht.

 


 


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