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In der St.-Martins-Kirche war bis zum Jahr 1813 in der Darstellung des Jüngsten Gerichts ein höllischer Rachen zu sehen, in dessen Öffnung der berühmte Grüne Teufel, der die Verdammten mittels einer Kette hineinzieht. Dieser Grüne Teufel gab früher manchen Anlaß zur Verspottung der Memminger; er galt auch den Handwerksburschen als Wahrzeichen der Stadt.
Unter die Merkwürdigkeiten der Martinskirche zu Memmingen gehört von alten Zeiten her das sogenannte heilige Heiligtum oder die heilige Wunderhostie, mit der es sich auf folgende Weise verhalten haben soll:
Die Besitzer zweier Mühlen, die im Jahre 1215 auf dem sumpfigen Ried oder Moorgrund unfern dem Pfarrdorf Benningen gestanden sind, hätten sich damals in sehr verschiedenem Nahrungsstand befunden. Der eine auf der dem Pfarrdorf näher gelegenen Mühle hätte überreichliche Arbeit und Verdienst gehabt, der andere aber auf der der Stadt näher befindlichen sich aus Mangel an Arbeit in großer Dürftigkeit und Armut befunden. Darüber neidisch und mißgünstig, habe denn der letztere dem ersteren den Segen des Himmels dadurch zu entziehen und dessen Glück sich zuzuwenden gehofft, wenn er seinem glücklichen Nachbarn eine geweihte Hostie unter den sogenannten Laufer der Mühle lege.
Dieses gottlose Vorhaben habe er auch bereits in der Nacht auf den Gründonnerstag, den 16. April 1215, ausgeführt; da aber beinahe ein ganzes Jahr nichts darauf erfolgte und er nach dieser Zeit die Hostie unverletzt unter dem Laufer fand, so hätte er sie nun von da weggenommen und unter dem Kumpfe des Mahlsteins verborgen, zuvor aber den Dorfeinwohnern den Wohlstand des glücklichen Müllers verdächtigt und sie aufgefordert, dessen Mühlwerk genau zu durchsuchen.
Dies sei nun am 12. März – dem Gregoriustag – 1216 geschehen, und der boshafte Müller selbst hätte dann wie von ungefähr zur Auffindung geholfen, die natürlich großes Aufsehen erregt und den unschuldigen Müller so in Schrecken gesetzt habe, daß dieser in die Stadt geflohen sei, um sich dort zu verbergen. Auf die Anzeige im Dorf von diesem Vorgang sei der Ortsgeistliche im priesterlichen Ornat herbeigeeilt, um in reine Leinwand die heilige Hostie aufzunehmen, die ihm indessen der gottlose Müller bereits in einem Becher entgegengetragen hatte. Die Hostie sei bis dahin unverändert geblieben; aber nun, als der Geistliche sie auf die reine Leinwand gelegt hatte, sei Blut daraus über sein Hände geflossen.
Als der Ruf von diesem Wunder hierher, nach Memmingen gekommen sei, habe der damalige hiesige Offizial oder bischöfliche Vikar, Heinrich Nogunk, den Prediger Landolt mit seinem Diener an Ort und Stelle geschickt, um sich darüber näher zu erkundigen; und als dieser die heilige Hostie noch voll Blut gefunden habe, hätte er sie nach der Stadt getragen, wo sie später vom Bischof Siegfried von Augsburg in eine Monstranz eingeschlossen worden sei. Zur Anbetung sei sie in der St.-Martins-Kirche niedergelegt worden.