Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der goldene Fuchs zu Rothenbühl

Rothenbühl, Weiler, Ldg. Ebermannstadt in Mittelfranken.

Das Sprichwort sagt: Mancher sucht sein Glück in der Ferne, das er doch ganz in der Nähe hätte. Dies traf einst buchstäblich bei dem Mann ein, aus dessen Leben wir nachfolgend erzählen wollen.

Von Streitberg nach Ebermannstadt ziehen sich angenehme und fruchtbare Wiesengründe, bewässert durch Schöpfräder aus der nahen Wiesent. Links im Tal, nicht fern von Ebermannstadt, erhebt sich der stattliche Weiler Rothenbühl. Vor langen, langen Jahren stand hier ein verfallenes Kapellchen und daneben die ärmliche Hütte eines Landmannes, der sich kümmerlich im Schweiße seines Angesichts mit seinem zahlreichen Kinderhäuflein ernährte. Aber Gottesfurcht wohnte in der ärmlichen Hütte, und täglich wurden in ihr betende Hände zum Geber aller Gaben emporgehoben, daß der den nötigen Unterhalt verleihen und auch für die heranwachsenden Kleinen sorgen wolle. Und Gott erhörte dieses Bitten in reichster Fülle.

Als einst der bekümmerte Hausvater nach des Tages Last und Hitze der Ruhe pflegte, hatte er einen gar sonderbaren Traum. Es erschien ihm eine Gestalt, ernst und ehrwürdig, die gebot ihm und sprach: »Mach dich auf und reise nach Regensburg, und wenn du dort angekommen bist, so geh auf die große Brücke; dort wirst du Glück und Wohlstand finden.«

Und als der Mann erwachte, erzählte er der treuen Hausfrau seinen Traum, und beide lächelten darüber. Aber in der nächsten Nacht kam die Gestalt wieder; da wurde der Hausvater ernster und nachdenklicher, denn die Geschichte ging ihm im Kopf herum. Die sorgliche Frau jedoch wandte ein, daß es denn doch zu gewagt sei, auf einen bloßen Traum hin eine so weite Reise zu machen.

Und siehe, in der dritten Nacht kam die Gestalt noch einmal, ermahnte den Mann nachdrücklich, daß er sein Glück ja nicht versäumen solle, und bezeichnete ihm den Tag, an dem er auf der Brücke zu Regensburg sich einfinden solle. Nun half nichts mehr. »Weib«, sagte er, »ich muß dem dreimaligen Wink des Himmels folgen. Packe mir mein Ränzchen zur Reise.« Und die Frau selbst war jetzt leicht überzeugt, daß man solchem Ruf zu folgen nicht versäumen dürfe.

So wanderte also der Mann am frühen Morgen gen Regensburg, und nach mehreren Tagen mühseligen Marsches gelangte er endlich dahin und stand am bestimmten Tag schon mit Sonnenaufgang auf der ihm im Traum bezeichneten Stelle der Donaubrücke. Reiter und Wagen und Fußgänger zogen hier von Stunde zu Stunde in buntem Gedränge an ihm vorüber, eilig ihren Geschäften nachgehend. Und obgleich unser Reisender jeden betrachtete, weil er meinte, von diesem oder jenem müsse das Glück ihm angeboten werden, so kümmerte sich doch niemand um ihn, und vergebens harrend und verlassen sah unser Wanderer in ängstlicher Stimmung der Erfüllung seines Traumes entgegen.

Die Sonne brannte heiß auf die Brücke, kein Schatten bot sich dar, und so gern der Mann sich dieser unbequemen Stellung entzogen hätte, so getraute er sich doch nicht fortzugehen, aus Furcht, sein Glück zu versäumen; denn die Erscheinung hatte es ihm ja so bestimmt verkündet. – Es wurde Mittag. Unser Bauersmann hielt sein Mittagsmahl aus der Tasche auf der Brücke, und die Hoffnung würzte ihm die einfache Kost, daß es ihm besser schmeckte, als wenn er bei einer reichen Tafel gesessen wäre. Mancher guckte ihn darüber an; da glaubte der Bauer immer: Der wird es wohl sein. Doch drehten sie alle den Kopf und gingen ihren Weg weiter.

So ging es nun den Nachmittag, die Schatten wurden länger, der Abend kam heran; die Glocke des nahen Doms tönte zum Abendgebet. Da wurde der Reisende betrübt über sein hoffnungsloses Warten, und er zog sein Käpplein ab, betete und empfahl dem Vater in der Höhe sein Schicksal, sein Weib und seine Kinder in der fernen Heimat. »Ich will ja gern arm bleiben«, sagte er, »wenn es so beschlossen ist; hilf nur mir und den Meinigen überall durch, bewahre mir Zufriedenheit und ein gottesfürchtiges Herz.«

Auf solches Gebet wurde dem armen Mann leicht und froh ums Herz. Und er schickte sich an, seinen bisher so standhaft behaupteten Platz zu verlassen, um in der Herberge eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Da kommt ein Bürgersmann vorüber, der bleibt verwundert vor ihm stehen und redet ihn also an: »Ei, guter Mann! Schon zum dritten Mal bin ich heute vorübergegangen, und immer seh' ich dich hier stehen. Was erwartest du denn hier?«

Bei solcher Anrede geht dem Begrüßten das Herz auf, und er erzählt dem Fragenden seinen Traum und den Kummer über die bisherige Täuschung.

Der Bürgersmann aber lacht und spricht: »Wer wird aber auch auf einen Traum gehen? Träume sind Schäume! Wenn einer auf Träume achten und ihnen zu Gefallen gar weite Reisen machen wollte, der hätte fürwahr viel zu tun! Träumte mir nicht auch gestern: An einem Ort, genannt Rothenbühl, steht eine verfallene Kapelle; dort unter dem Platz, wo ehemals der Altar gestanden ist, liegt ein goldener Fuchs begraben. Wie, wenn ich nun darauf achten wollte? Weiß ich doch nicht einmal, ob es nur ein Rothenbühl auf Erden gibt. Und ein goldener Fuchs – wo sollte der herkommen? Darum rate ich dir, gutes Bäuerlein, geh du morgen wieder nach Hause, und hebe lieber meinen goldenen Fuchs in Rothenbühl, den ich dir gern überlasse, anstatt daß du auf der Brücke hier auf einen Schatz wartest!«

Unser Bauersmann, der bisher das Maul verwundert aufgesperrt hatte, ließ sich das auch nicht zweimal sagen. Gar schön bedankte er sich bei dem Bürger, nahm freundlichen Abschied von ihm, schlief die Nacht hindurch vor lauter Begierde nur wenig, und der erste Strahl der Sonne fand ihn schon weit weg von Regensburg. Rastlos wanderte er fort und fort und kam glücklich heim zu den Seinen. Erstaunt empfingen die den Hausvater, der sich kaum Zeit nahm, ihre Frage zu beantworten, sondern sogleich Schaufel und Hacke ergriff und an dem bezeichneten Ort zu graben anfing. Und nicht lange, so glänzte ihm etwas Goldenes entgegen, und das war wirklich ein schwer in Gold gearbeiteter Fuchs.

Von seinem Staunen wollen wir nichts weiter erzählen, sondern nur noch beifügen, daß er einen Teil des reichen Fundes dem Landesherrn überlieferte; aber das, was er behielt, war immer noch genug, daß er sich bald ein neues, stattliches Wohnhaus erbauen, die umliegenden Felder und Wiesen ankaufen und seine Tage in Ruhe und Frieden durchleben konnte.

 


 


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