Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Bilhildis zu Veitshöchheim

Bilhildis war des angesehenen Frankengrafen Iberich Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen Haus Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem Ort, den man heutzutage Veitshöchheim nennt. Und es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen waren, das Sakrament der Taufe nicht empfing, weil die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester getötet oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten Jahr ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der Holdseligkeit Bilhildis' die Freude empfinden möge, die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war.

Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war eine fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in den Geheimnissen des christlichen Glaubens unterrichtete und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis endlich unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen wurde, die demnächst zur Taufe gelangen sollten.

Da geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der Bilhildis unterblieb und kam in Vergessenheit; sie selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war.

Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt, zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend kleidete und von allen Heidengreueln sich fernhielt, ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige und der Tugend gefährliche Tänze und Bräuche abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und Anmut flog weit in alle Gaue und drang auch zu den Ohren Hetans, des Thüringer Herzogs Radulf Sohn, der Witwer war und dem von seiner ersten Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein Auge auf die seltene Jungfrauenperle und warb um sie.

Vergebens wurde Bilhildis' Jugend und der Unterschied des Glaubens eingewandt; der zudringliche Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis wurde ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend, fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmernis, da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen nach Bekehrung trug und an seinem Hofhalt so manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen widerstrebte. Sie lebte daher sehr zurückgezogen, asketisch, schmucklos und unterzog sich harten Bußübungen und Kasteiungen.

Als die Zeit kam, daß die Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin bringen solle, falls der Ausgang des Krieges für ihn nicht siegreich wäre und der Feind in das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu lassen, doch ließ er es endlich geschehen. Vielleicht ahnte er, daß Bilhildis im Sinn habe, ihn ganz zu verlassen, weil sie alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien mit sich nahm, ihre Dienerschaft aber, die sie als Herzogin bis nach Höchheim begleiten mußte, von da zurücksandte. Sie hatte ihr Vorhaben sowohl ihrer Mutter als dem König Siegbert, ihrem Verwandten, offenbart, und der letztere sagte ihr nicht nur alle Hilfe zu, sondern lud sie auch nach Mainz ein.

Da setzte sich Bilhildis mit einigen vertrauten Jungfrauen eines Abends, als niemand ihre heimliche Flucht ahnte, getrost auf ein Schifflein und fuhr den Main abwärts. Und es ruderten und lenkten Engel das Schiff, daß es mit wunderbarer Schnelle über den Strom glitt und Bilhildis mit anbrechendem Tag vor Mainz anlegte. Dort lebte sie nun unerkannt und in tiefer Verborgenheit.

Bilhildis genas in Mainz eines schönen Prinzen, dem sie den Namen Siegbert beilegen ließ; allein nach wenigen Jahren starb dieses Kind, und nicht lange nachher kam auch die Nachricht, daß Herzog Hetan gestorben sei. Nun war Bilhildis ganz frei und konnte sich nach ihrem Gefallen ohne ein weltliches Hindernis dem heiligen Leben widmen, was sie denn auch tat. Sie kasteite ihren zarten Leib durch Bußkleider, härene Hemden, Fasten und Schlafentziehung, bis sie die äußerste Abmagerung zur Schau trug. Dabei war sie eine Mutter der Armen, eine Trösterin der Notleidenden, eine Pflegerin der Kranken und wurde Stifterin des Klosters Alt-Münzer zu Mainz (altum Monasterium), zu dessen Gründung und Erbauung sie ihr väterliches Erbteil verwendete. Hierauf nahm sie ein geistliches Ordenskleid, führte das beschaulichste Leben und war lebhaft in einem übernatürlichen Glauben, fest in Hoffnung und vollkommen in der Liebe Gottes und des Nächsten.

Als das Leben der gottseligen Frau sich zum Ende neigte, offenbarte ein Traum dreien ihrer untergebenen Klosterfrauen, daß Bilhildis, ihre Mutter und Oberin, weder das Sakrament der Taufe noch das der Firmung empfangen habe; dieses Gesicht hinterbrachten die drei nach überwundenem Bedenken der Bilhildis, die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte, bis auch der Bischof, dem sie sich anvertraute, die gleiche Offenbarung hatte. Nun bereitete Bilhildis sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser Sakramente vor und empfing sie mit gottfreudigem Herzen.

Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist durch den Vorgeschmack himmlischer Freuden sättigen.

Als es mit ihr zum Sterben gekommen war und ihr seliger Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr Sterbezimmer. Kranke genasen in der Nähe der Entseelten, Blinde erlangten ihr Augenlicht wieder, Tote standen auf. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes.

Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt, und bewahrte dort ihre Reliquien auf.

 


 


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