Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Minne des heiligen Emmeram trinken

Vom heiligen Makarius ist erzählt worden, daß ihm sein Bischof befohlen habe, »zu Ehren des heiligen Kilian zu trinken«. Dieser Brauch (am bekanntesten als Johannissegen) kam nicht selten vor, wie denn der Abt Cölestin von St. Emmeram folgendes aus der Geschichte seines Klosters berichtet.

Zu einer Zeit, als Kaiser Otto hierher nach Regensburg kam, hat er sich vor seiner Abreise selbst in unserem Kloster zu Gast geladen. Der Bischof, der damals auch noch die Abtei verwaltete, schätzte sich dies für eine besondere Gnade und sparte keine Unkosten, den Kaiser nach Möglichkeit zu traktieren. Fürsten und Bischöfe samt anderen hohen Standespersonen saßen bei der Tafel, und alles war fröhlich und wohlauf, besonders der Kaiser, daher ließ er sich auch vor dem Ende der Mahlzeit mit diesem sächsischen Sprichwort vernehmen: »Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'. Der heilige Bischof und Märtyrer Emmeram hat uns heute von seinen Gütern wohl gespeist und getränkt; so dünkt es mich billig zu sein, daß wir auch diese Mahlzeit in der Liebe des heiligen Emmeram vollenden.« Er befahl darauf, einander den Friedenskuß zu geben und aus dem dazu verordneten Gesundheitsbecher die Liebe des heiligen Märtyrers zu trinken.

Alle kamen dem Befehl des Kaisers mit Freuden nach bis auf einen einzigen Grafen, der, da ihm die Kraft des Weins schon den Verstand geschwächt hatte, in diese Lästerung ausbrach: »Was? Mitnichten tu ich diesen Bescheid; Emmeram hat nicht mehr Platz in meinem Bauch, denn Speis' und Trank sind ihm zuvorgekommen.« Diese Wort hatte der trunkene Graf gerade ausgesprochen, als ihm von unsichtbarer Hand eine so ergiebige und wohlgemessene Maulschelle versetzt wurde, daß er samt dem Sessel, auf dem er an der Tafel gesessen war, in den Saal fiel. Darüber erschraken der Kaiser und alle hochadeligen Gäste von Herzen, und sie ließen sogleich nachfragen, warum dies geschehen sein möchte. Als ihm aber einer seiner Diener die Ursache erzählte, hat er gleich Befehl erteilt, alle Glocken in der ganzen Stadt zusammen zu läuten und dieses Wunder jedermann zu erzählen, dem heiligen Märtyrer aber die Lästerung abzubitten und noch selbigen Tages ein herrliches Tedeum in der Klosterkirche zu halten.

Von dieser Zeit an ist bei uns die löbliche Gewohnheit aufgekommen, vor dem Ende der Mahlzeiten die letzte Gesundheit mit diesen Worten zu trinken: »Es lebe alles, was Sankt Emmeram liebt und ehrt!«

 


 


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