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»Der Spessart ist ein wunderbarer Wald,
Und drin erzählt man seltsame Geschichten –
Die Welt da draußen wechselt die Gestalt,
Wir bleiben stets die Alten, Treuen, Schlichten!«
Mein Jäger sprach's und setzt' in Ruh' den Hahn;
Vergeblich pirschten wir drei Morgenstunden,
Es lief kein Tier die müden Schützen an,
Daß Ruhe wohltat Jägern sowie Hunden.
»Hier rasten wir! Der Platz ist wunderschön,
So kühl, so frei – welch ein ergötzlich Schauen
Hier in das Tal, dort nach den grünen Höh'n,
Darüber fern und ferner Kuppen blauen!
Und hier der Bach, umrauscht von Erlenlaub,
Und drin die Muscheln, wie sie prächtig blitzen!
O schöne Muscheln, bald des Jägers Raub:
Es soll mein Lieb als Armband euch besitzen!«
Drauf mein Gefährte: »Wünscht solch Kleinod nicht;
O wagt es nicht, in diese Flut zu langen!
Ihr Klugen draußen nennt es ein Gedicht,
Was man erzählt von dieser Muscheln Prangen,
Und ist es kein Gedicht: Die Ahne mein
Hat's schon erzählt, Ihr könnt es jetzt auch lesen,
Wie einst ein Schloß da drüben auf dem Stein
Und stolze Ritter in dem Schloß gewesen.
Schön war des Ritters Tochter, wunderhold,
Weshalb der Alte gern sein Liebstes schmückte,
Ihr Arm und Finger reich umwand mit Gold
Und auf das Haupt ein Perlenkrönlein drückte.
Sie aber sprach: ›O schau das Volk umher,
Wie elend ist's, wie ganz der Not zu eigen!
Sicht es den Glanz, fühlt es die Qual nur mehr –
Man soll den Armen keine Schätze zeigen!
Ja, gäb' es hier wie drüben in dem Bann
Gewicht'ge Pächter, wollt' in Gold ich prangen,
Es könnte jeder reiche Vater dann
Fürs Töchterlein den gleichen Schmuck erlangen
Doch schaut, im Bache gibt es Muscheln viel,
Mit Muscheln will ich Stirn und Busen kränzen,
Das ärmste Mädchen mag zu eitlem Spiel
Sich Muscheln suchen, kann in Muscheln glänzen.
Bringt Muscheln mir zu stolzem Krönelein
Bringt Muscheln mir als Armband und als Kette!‹
Wie schön sie war in ihrer Muscheln Schein,
Schöner, als wenn in Gold gestrahlt sie hätte! –
Da war ein Knab' im Dorf, sein Aug' so klar,
Sein Herz wie Gold. Niedrigem Haus entsprungen
Barg er den Wunsch, der still erblühet war,
Doch Tag für Tag ihn mächtiger umschlungen.
Sie kannt' ihn kaum; sie kannte nur den Gruß
Des scheuen Knaben, der mit frommem Bangen
Den Weg betrat, auf dem gewallt ihr Fuß –
Er hörte kaum des schönen Kinds Verlangen
Nach Muschelzier, so ging er Tag und Nacht
Zum Bach und suchte Muscheln, suchte, wählte
Und wählt' und suchte, bis ein Schmuck voll Pracht
Beisammen war, dem nur ein Stück noch fehlte.
Dies letzte aber soll das schönste sein! –
Der Bach geht tief; im tiefsten, tiefsten Grunde
Lag eine Muschel, tück'schen Zauberschein
Warf spielend sie in weiter, grüner Runde.
›Die wird noch mein!‹ – Und willenlos fast springt
Der Knabe von der Brücke jähem Rande.
Die Muschel wurde sein – den Taucher schlingt
Die Welle fort und wirft ihn tot zum Strande.
Den Schmuck erhielt das Mädchen, und sie hing
Ihn weinend um, die stumme, geisterbleiche;
Und als der Knab' begraben wurde, ging
Die Herrin weinend hinter seiner Leiche,
Trug nochmals jenen Schmuck und legt' ihn dann
Still zu den Schätzen, die nun alle ruhten. –
Auch sie war tot, bevor ein Jahr verrann –
O tückisch sind die Geister solcher Fluten!« |