Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Pferd in der Wiege

Memminger Mundart, mitget. durch H. Daar

Wenn man auf der Straße von Augsburg her nach Memmingen kommt, so erblickt man gleich an einem der ersten Häuser ein in der Wiege liegendes Pferd angemalt. Fragt man einen schlichten Memminger Bürger nach der Bedeutung dieses Gemäldes, so erhält man etwa folgende Auskunft:

A früherer Besitzer von dem Haus ischt amaul der Moining gwest, sei Frau sei gstorba. Sie isch aber nit recht gstorba gwest, sondern bloß scheintot. Zur ghörige Zeit aber, am zwoita oder dritta Tag, haut ma sie in alle Ehra begraba. Die Frau wär au nommame us ihrem Grab rauskomma bis an Jüngste Tag.

Non haut aber dr Totagräber gwißt, daß ma ihr etlich schöne, wertvolle Ring mit ins Grab ge haut, und dau haut r denkt, die brächtet ihm mehr Nutza als der tota Frau. Er ist also spät in dr Nacht naus und haut 's Grab göffnet. Itz aber denk a Mensch sein Schrecka! Wie r de Deckel wegtuat, wird d' Frau lebendig, regt sie und staut auf. – Daß dr Totagräber d' Laterna vergessa haut, isch koin Wunder; d' Frau aber haut sie gnomma und isch mit r hoim.

Wie sie an ihrer Glocka glitta haut, isch zerst d' Magd ans Fenster komma. Uf ihr Frauga »Wer läut't?« antwortet's drunta:

»Mach auf, d' Frau ist's.«

Die moint nit anderst, als as sei a Gspenscht, weckt da Herra und verzählt 'm allz. Der hält's au für unmöglich und sait: »Eher liegt mein Pferd in der Wiege, als daß meine Frau da drunten ist.«

Wie ma aber gschaut haut, dau ischt's denn doch d' Frau gwest und haut allz verzählt und haut no manchs Jaur glebt, bis sie wirklich gstorba ischt, und zum Andenka an dia Begebenheit ist an dem Haus das Pferd in dr Wiega angmault bis uf da heutiga Dag.

 


 


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