Mancher Bau für Ewigkeiten,
Manches Denkmal eitler Pracht
Sank zu Staub im Sturm der Zeiten,
Decket des Vergessens Nacht.
Durch Jahrhunderte erhalten
Bleibt ein schönes Monument,
Wo der Liebe frommes Walten
Dankbar noch die Nachwelt kennt.
In dem Tale mild und friedlich,
An der Altmühl grünem Strand,
Blüht ein Städtchen rein und niedlich
Gunzenhausen wird's genannt.
Dort bewahrt sich eine Sage
In des biedere Volkes Mund,
Gibt uns bis auf heut'ge Tage
Von dem edlen Ritter Kund',
Der ein Beispiel seltner Treue,
Früh geprüft durch tiefes Leid,
All sein Gut aus frommer Reue
Zu der Armen Trost geweiht.
Burkard stammt' aus edlem Blute,
War an Gold und Tugend reich,
Stolz an Geist und kühnem Mute,
Seine Seele sanft und weich.
Gerne mocht' ihn jeder schauen,
Trug den Jüngling leicht sein Roß
Durch die väterlichen Gauen,
Freundlich grüßt er klein und groß.
Und die Jagd war sein Vergnügen,
In der Wälder Einsamkeit
Träumte er von künft'gen Siegen
Und von Schlacht und Männerstreit.
Kehrt' er dann im Abendscheine,
Müd dem Schlosse zugewandt,
Dort vorüber, wo die kleine,
Ärmlich niedre Hütte stand:
Frägt sein Herz, ob sie wohl heute,
Die in dieser Hütte wohnt,
Ihn mit einem Gruß erfreute,
Der sein Hoffen freundlich lohnt?
Hedwigs Aug' in klarer Bläue
Strahlt ihm wie der Himmel mild;
Und er hing mit stiller Treue
An dem wunderlieben Bild.
Einsam hold die Jungfrau blühte
Wie die Lilie der Flur,
Sorgt mit kindlichem Gemüte
Für die alte Mutter nur.
Von dem edlen Grafensohne
Stand die Hirtentochter fern,
Aber wo auf Fürstenthrone
Sah er je so reinen Stern?
Später kehrt' er einst zurücke
Aus dem Walde von der Jagd,
Hatt' – ein selten Mißgeschicke –
Keine Beute mitgebracht.
Dämmerung und tiefes Schweigen
Ruhten schon auf dem Gefild,
Da vernimmt er in den Zweigen
Ein Geräusch wie nahes Wild.
Deutlich sieht er sich's bewegen.
Wär's das Reh, das ihn geneckt?
Ha, nun wird er's doch erlegen,
Im Gebüsche ist's versteckt.
Und den Bogen faßt er schnelle,
Spannt ihn mit geübter Hand,
Zielet sicher nach der Stelle,
Und der Pfeil ist losgesandt.
Oh, daß er zurücke kehrte,
Treffend Burkards eignes Herz
Und sein Leben ahnend wehrte
Der Verzweiflung dumpfem Schmerz.
Denn was soll er fürder hoffen,
Er – ein Mörder unbewußt!
Sie, ach, hat sein Pfeil getroffen,
Ja, er traf in Hedwigs Brust.
Unter Blumen eine Leiche,
Ihre Sichel in der Hand,
Lag die Jungfrau, die das gleiche
Schicksal mit der Rose fand,
Die, am Morgen frisch entfaltet,
Sterbend sinkt im Abendstrahl;
Ach, so lieblich zart gestaltet
Blühte keine mehr im Tal.
Von der unglücksel'gen Stunde
Trug der Ritter tiefes Leid,
Und es heilt' die Todeswunde
Seines Herzens nicht die Zeit.
Nur auf Werke frommer Buße
Ist er fürder noch bedacht,
Gönnet sich nicht Rast noch Muße,
Bis er alles gutgemacht.
Ließ ein Hospital erbauen,
Für verlassene Waisen Hort
Und für alte kranke Frauen,
Nahe bei dem Unglücksort.
Viel geschäft'ge Hände regen
Mußten sich von nah und fern,
Hedwigs Mutter dort zu pflegen,
Bald vollendet säh' er's gern.
War der Tag ihm so vergangen
In den rastlos tät'gen Mühn,
Zog ihn sehnsuchtsvoll Verlangen
Bei der Sonne letztem Glühn
Zu dem Kreuz von weißem Steine,
Wo das schuldlos Opfer fiel,
Die Geliebte, Engelreine,
Seines eignen Pfeiles Ziel.
Hedwigs Schatten zu versöhnen
Kniet er da so manche Nacht
In Gebet und heißen Tränen,
Bis der Morgen neu erwacht.
Und für fromme Stiftung spendet
Burkard all sein Gold und Gut;
Herrlich ist der Bau vollendet,
Da beseelt ihn neuer Mut:
Nimmt sein Schwert und ziehet weiter
Nach dem fernen Morgenland,
Wo er als ein Gottesstreiter
Bald ein ruhmvoll Ende fand.
Und das Kreuz, es strahlt noch heute
Auf dem grünen Wiesenplan;
Täglich zeigt ein Betgeläute
Noch die Unglücksstunde an.
Manche Jungfrau aus dem Tale
Dann mit frischen Blumen wallt
Zu dem längst bemoosten Male,
Wenn das Abendglöcklein schallt. |