Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Jungfernsprung bei Dahn

Von Franz Weiß. – Dahn in der Pfalz. Nach anderen diente die Stelle zu Gottesurteilen. Eine angeklagte Jungfrau habe durch einen Sprung vom Felsen ihre Unschuld bewiesen. Wo sie aufsprang, soll die noch fließende Quelle hervorgesprudelt sein.

              »Unheimlich ist's in Eurer Nähe,
Und Furcht und Grauen faßt mich an,
Wenn ich Euch vor mir stehen sehe
In eurem wilden Liebeswahn.

Nie wird mein Herz Euch Liebe spenden;
Es hasset Euch und wird hinfort
Sich stets mit Abscheu von Euch wenden.
Dies sei für Euch mein letztes Wort!«

Die Jungfrau spricht's, und Rache tobet
Wild in des Jägers schnöder Brust;
Mit fürchterlichem Eid gelobet
Er sich zu stillen seine Lust.

In weichem Purpurscheine blühen
Die Berge von des Morgens Hauch,
Und tausend Demanttropfen glühen
Hellfunkelnd rings an Busch und Strauch.

Da wandelt in der duft'gen Frühe
Die Jungfrau zur Kapelle hin,
Sie scheuet nicht des Weges Mühe,
Zum fernen Gnadenschrein zu ziehn.

Schon hält die Waldnacht sie umfangen,
Da hemmt sie angstvoll ihren Schritt,
Als plötzlich, lüsternes Verlangen
Im Blick, der Jäger vor sie tritt.

»Willkommen hier in meinem Reiche!«
Spricht er mit arger Freundlichkeit.
»Hier darf ich schlürfen bis zur Neige
Den Becher Eurer Lieblichkeit.

Hier endlich wird sich mir erschließen
Der Liebe Quell an Eurer Brust!
Wohlauf, mein Lieb', laß uns genießen
Der flücht'gen Stunde süße Lust!«

Und schon mit schreckenden Gebärden
Streckt er nach ihr die rohe Hand.
Wer soll ihr nur ein Retter werden,
Vom Himmel gnädig ihr gesandt?

Rasch hat sie sich zur Flucht gewendet;
Doch wie ein wuterfülltes Tier
Ihr nach der Jäger, bald geendet
Wird sein der Wettlauf – wehe ihr!

Schon fühlt sie ihre Kraft ermatten,
Und jeder Hoffnungsstrahl entschwand,
Als sie – entflohn des Waldes Schatten –
Sich sieht an eines Abgrunds Rand.

Sie starrt, als ob der Tod ihr riefe,
Und schaudernd blicket sie hinab,
Wo in der schreckenvollen Tiefe
Sich öffnet ein gewisses Grab.

Und nieder stürzt sie auf die Knie
Und hebt die Hände himmelan:
»Der Unschuld Schützerin, Marie,
Nimm gnädig deiner Magd dich an.«

Sie ruft's, und zwischen Tod und Schande
Hat sie getroffen schnell die Wahl,
Und mutig springt sie von dem Rande
Der Felsenwand hinab zu Tal.

Doch sieh – vom sanften Rosenlichte
Erglänzt die Tiefe hell und hehr,
Und von des Himmels Angesichte
Ergießet sich ein Düftemeer.

Die Himmelsmutter hat vernommen
Das Flehen ihrer treuen Magd,
Und ihre Engel sind gekommen,
Ob ihr zu halten sichre Wacht.

Und leichten Fluges schwebt sie nieder,
Zur Seiten ihr der Engel Schar,
Die als der Unschuld treue Hüter
Vor Tod sie schützen und Gefahr.

Noch steht das Kreuz, des Wunders Zeichen,
Auf steiler Felsenstirn erhöht,
Oft in der Nächte stillem Schweigen
Von lichtem Heil'genschein umweht.

 


 


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