Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Hildegardis und Taland

Von F. A. Schulze. – »Bis in die Tage der Reformation führten die Kinder der Sankt-Hildengarden-Schule beim Münster zu Kempten um Fastnacht das Spiel von der frommen Königin auf.«

                      Der große Karl, er saß einmal
Zu Worms in seines Thrones Saal,
Und zwischen Grafen und Herren stand
Dicht vor dem Throne Herr Taland.

»Herr Taland, lieber Bruder mein,
Ich muß ins Sachsenreich hinein,
Muß dort, das heil'ge Kreuz zu rächen,
Der falschen Götter Altar zerbrechen.

Und bis ich solches Werk beend't,
Führt Ihr allhier das Regiment,
Damit – Gott gebe das in Gnade! –
Kein Unheil meinen Landen schade.

Daneben seid mit guter Wacht
Auf mein Gemahl und Kind bedacht!
Denn diese Lieben sind mir eben
Das beste Teil von meinem Leben.«

Als Hildegardis nun von fern
Fortziehn sah den Gemahl und Herrn
Und fast ihr Aug' in Tränen brach,
Trat zu ihr Herr Taland und sprach:

»O Dame, wie ich keine sah,
Was geht mir dein Geschick so nah!
Drum sage, was zu dieser Frist
Ein Trost in deinen Nöten ist?

Ich schafft' ihn dir, auch noch so fern,
Und wär's vom Firmament ein Stern,
Und wär's mein armes Leben gar,
Ob deiner Ruh' gäb' ich's fürwahr!«

»Was hätte mit dem Leben dein,
Herr Taland, wohl mein Trost gemein?
Mein einz'ger Trost, mein einz'ger Stern
Zog fort mit dem Gemahl und Herrn.«

Als sie nun immer nicht vergißt,
Daß der Gemahl beim Feinde ist
Und Herr Taland mit List und Mühn
Sie strebet von ihm abzuziehn;

Als nun die Frau, so tugendlich,
Herr Taland überall beschlich
Und ihres Herzens fromme Huld
Verkehren wollt' in arge Schuld:

Da lud die Treue ihn zum Schein
In ein geheim Klosett hinein,
Entschlüpfte drauf und hielt den Bangen
An diesem dunklen Ort gefangen.

Doch kaum erschallt der Kunde Ton:
»Der Sieger kehrt nach seinem Thron!«
So läßt, in Freude mild und groß,
Die Königin den Armen los.

Und als er so der Haft entrann
Und drauf das freie Feld gewann,
Eilt unter wilden Herzensschlägen
Er dem verratnen Karl entgegen.

»Mein Herr und König, ach, verzeiht,
Wenn ich statt Wonn' Euch bringe Leid,
Wenn jetzt das Unheil aus meinem Munde
Vergiftet des Sieges süße Kunde.«

»So sprecht, Herr Taland, doch sogleich,
Welch' Unfall traf mein armes Reich
Oder wohl gar mein liebes Gemahl
Oder mein Kind oder alle zumal?«

»Nicht Reich und Kind – zu dieser Stund
Ist beides, Herr, stark und gesund;
Aber – o dürft' ich doch nimmer sprechen
Von dem verruchten, schwarzen Verbrechen!«

Schon wacht des Königs ganzer Grimm:
»Sprich, Unglücksbote!« zürnt er ihm.
Und was auch Talands Gewissen sagt,
Die schuldlose Gattin wird verklagt:

Sie habe verletzt der Treue Band,
Gesündigt frech an König und Land,
Und daß kein Hüter ihr Aug' bewache,
Verschlossen Herrn Taland im finstern Gemache.

Und Karl befiehlt, im Zorn entbrannt:
»Die Buhlerin, sie sei verbannt!
Und daß ihr Blick ferner dem Frevel nicht tauge,
So raubt auf immer das Licht ihrem Auge!«

Wie drauf Herr Karl auf seinem Schloß
Erscheint, da ist die Lust nicht groß,
Denn Hildegardis' Mißgeschick
Betrübet jeden guten Blick;

Noch fühlen all' ihr herbes Leiden,
Als sie vom Kinde mußte scheiden
Und durch den Spruch, den Karl gefällt,
Hinausziehn in die fremde Welt. –

Inzwischen wankt in düsterm Sinn
Die tiefgebeugte Königin,
Das Herz beim Kind und beim Gemahl,
Der Grenze zu und neuer Qual.

Die niedern Knechte, ihr Geleit,
Gedenken jetzt in Traurigkeit
Zum erstenmal, daß, um zu enden,
Sie ihr die Augen sollen blenden.

»O Gott«, ruft ihre Dienerin,
»So richtest du die Tugend hin!«
Doch jene zürnt: »Mit Gott kein Rechten!«
Und wendet mild sich zu den Knechten:

»So nehmet dieses Auges Licht!
Seitdem das Liebste mir gebricht,
Erregt die Erde mir nur Schmerzen,
Den Himmel schau' ich mit dem Herzen!«

Allein das Auge, wie verklärt,
Das nach den Knechten hin sich kehrt,
Macht, daß das Herz der Harten zagt
Und keiner sie zu blenden wagt.

»Lebt wohl, Frau Königin, wir gehn,
Mag auch, was will, mit uns geschehn!
Das hohe Licht des Himmels spricht
Aus Euerm Blick – die Erde nicht.«

»Sieh Gottes wundervolle Hand!«
Ruft sie, zur Dienerin gewandt,
Und nimmt vereint mit ihr den Pfad
Gen Rom nun hin, der heil'gen Stadt.

Doch Karl, dem König, fehlt die Ruh'
Und Herrn Talanden auch dazu;
Ja dieser Arge büßt den Schein
Der Augen nun von selber ein.

Umsonst ist aller Ärzte Fleiß –
Da zieht er, wie auf Gott's Geheiß,
Zu baden sich im Segensstrom,
Mit seinem Bruder Karl gen Rom.

Und siehe da, kaum sind sie hier,
Da tritt die hohe Frau herfür,
Berührt den Blinden, und sogleich
Umfängt ihn neu des Lichtes Reich.

Und vor ihr nieder sinkt Taland
Und spricht: »So hat's der Herr gewandt!«
Bekennt freiwillig jede Schuld
Und fleht um Hildegardis' Huld.

»Das gilt dein Leben, arger Knecht!«
Ruft Karl; doch Gnad' ergeht für Recht,
Auf Hildegardis' frommes Flehn
Darf er nur aus dem Reiche gehn.

Drauf durch des heil'gen Vaters Mund
Fließt neuer Segen auf den Bund
Des hohen Paars, zu Gottes Ehr';
Den scheidet forthin keiner mehr.

Und zum Gedächtnis der Geschicht
Hat Hildegardis aufgericht'
Ein Kloster, welches, hoch erhöht,
Zu Kempten diesen Tag noch steht.

 


 


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