Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Siebenuhrläuten in Aub

Unweit Aub liegt am Saum des Waldes Herrnholz auf einem von Westen her sanft aufsteigenden Hügel die Ruine der Burg Reichelsberg. Hier hauste in früheren Zeiten ein altes Rittergeschlecht, und noch sieht man die Stelle der Zugbrücke, der Burgkapelle, den Burghof, das Gewölbe usw. Nach der anderthalb Stunden entfernten Burg Brauneck sowie nach Hohenlandsberg sollen unterirdische Gänge geführt haben.

Einmal in rauher Winternacht stieg ein Burgfräulein von Reichelsberg hinunter in den Wald, wo ein geliebter Ritter ihrer harren wollte. Sie verirrte sich aber vom Weg und fand den Erwarteten nicht. Dichte Schneeflocken flogen vom Himmel, so daß endlich keine Spur vom Weg mehr zu erkennen war. Da wurde die Arme von großer Angst und Furcht überfallen und rief ein um das andere Mal um Hilfe. Aber nichts ließ sich hören; selbst die Tiere des Waldes hatten sich in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen, denn der Sturm heulte fürchterlich und beugte die Wipfel der mächtigsten Bäume. Da warf sich das verlassene Fräulein in seiner Seelenangst auf den schneebedeckten Boden und flehte unter den heißesten Tränen zu Gott um Errettung aus so großer Gefahr.

Während sie noch betete, da kam es ihr auf einmal vor, als hörte sie den Silberklang eines Glöckleins, das von einem nahen Dorf zu ihr herübertönte! Freudig horchte sie, ob nicht der Sturm ihren Sinn trüge – aber nein, es war wirklich so: das Glöcklein ließ fort und fort seine Silberstimme erklingen. Freudigen Mutes ging die Jungfrau den süßen Tönen nach und gelangte bald aus dem dunklen Wald zur Gollach, an deren Ufer sich der Reichelsberg erhob. Da hörte das Glöcklein auf zu läuten, die Jungfrau war gerettet, denn jetzt konnte sie den Weg nicht mehr verfehlen. Dankbaren Herzens warf sie sich auf ihre Knie und gelobte zur Stunde, ein Geläut zu stiften, das verirrte Pilger zur Nachtzeit auf den rechten Weg führen könnte.

Und dieses Gelübde hat sie treulich erfüllt; noch heute ertönt vier Wintermonate hindurch von Martini bis zum 22. Februar allabendlich um 7 Uhr eine Viertelstunde lang ein helles Glöcklein vom Kirchturm zu Aub herab über die Fluren des Gollachtals, um späte Wanderer auf den rechten Weg zu führen.

Diese Sage ist nicht allein hier, sondern auch in der Nachbarschaft mit einigen Veränderungen im Munde des Volkes lebendig.

 


 


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