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»Peitscht den Seestrand, wilde Wogen!
Geißle, Blitz, die falsche Flut;
Denn die Sünd' am heil'gen Blut
Kömmt im Grimm herabgeflogen
Von des Fluches schwarzem Bogen,
Der die Erde hält umzogen,
Der im tötend-eis'gen Ring
Jeden Segenskeim umfing.
Unversöhnte Elemente!
Drum ist holde Maienzeit,
Daß ihr euch der Zwietracht freut,
Die den holden Bund zertrennte,
Die vom blassen Firmamente
Niedersandte rüst'ge Brände
In der Tochter lüstern Herz,
Übertäubend Vaterschmerz.
Als auf flügelschnellem Rosse,
Stäubend wie im Sturmesflug,
Mich der Gatt' von hinnen trug
Aus des Vaters stillem Schlosse,
Aus des Friedens heil'gem Schoße,
Sah ich nicht des Fluchs Geschosse,
Die mein Vater, arg betört,
Nach mir sandt' vom öden Herd.
Doch das Maß muß sich erfüllen,
Die Verheißung gleicht sich aus,
Ewig wankt der Sünde Haus.
Meiner Sehnsucht heißen Willen
Wollte nie das Schicksal stillen,
Und kein Friede kann mir quillen,
Denn kein Abend bringt das Glück,
Bringt den Gatten mir zurück.
Wie den Vater ich verlassen,
Den der Gram hat aufgezehrt,
Läßt mich nun, der mich betört,
Einsam, freudelos verblassen. –
Erd' und Himmel muß ich hassen,
Können sie mein Leid erfassen?
Diesen glüh'nden Liebesdrang,
Der den Treulosen umschlang!?
Peitscht den Seestrand, wilde Wogen;
Geißle, Blitz, die falsche Flut,
Denn es wird mein heißes Blut
Stürmisch zu euch hingezogen.
Seht, die Sünde ist betrogen,
Alle Freud' ist ihr entflogen.
Zu dir reißt sie mich hinab,
Nimm mich auf, du finstres Grab.«
Und sie sprach's mit bleichem Munde,
Ameley, im wilden Schmerz,
Glut verzehrt Gehirn und Herz,
Schwang im Sprung zum offnen Schlunde
Tief hinab sich. – Noch zur Stunde
Aus des Schliersees dunklem Grunde
Tost es von den Wogen Schwall
nach des Weibes tiefem Fall. |
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Herbstlich wühlt mit wüstem Brausen
Tief im Schilf des Sturmes Faust,
Und die Flut, die stiller braust,
Streckt sich flach im dunklen Grausen. –
Molche schlüpfen, Schlangen hausen
Tiefer in den feuchten Klausen,
Als der Wulf von Maxlrain
Spornt den Rappen – ernst – allein.
»Ameley, du süße Treue«,
Ruft er aus im wilden Schmerz,
»Weh, dein Tod bricht mir das Herz.
Drei der Jahre, daß in Reue
Ich den neuen Tag, das neue
Licht der Sonne trauernd scheue,
Weil ich dich, die ich erkor,
Schönes Weib, im Tod verlor.
Ohne Weilen, ohne Raste
Treibt es tobend mich umher
Wie auf sturmgepeitschtem Meer;
Und als ob die Welt drauf laste,
Keucht die Brust, die gramerfaßte,
Und das Leben, das verhaßte,
Acht' ich es auch zu gering,
Hält mich doch mit eh'rnem Ring.«
Prasselnd nieder strömt der Regen,
Doch der Ritter sprengt im Flug
Wie des Wilden Jägers Zug,
Wirft die Brust dem Sturm entgegen,
Der den Gaul mit mächt'gen Schlägen
Treibt auf ungebahnten Wegen
Fort durch tausend Ungemach
Bis zu eines Fischers Dach.
Und das Roß scharrt an der Schwelle;
Aus dem scheu geborgnen Haus
Tritt der Fischer schnell heraus.
»Seid gegrüßt an dieser Stelle«,
Klingt sein Wort gar mild und helle,
Dumpf dazwischen braust die Welle,
»Nehmt die Herberg freundlich an,
Euren Rappen gürt' ich an.«
Als der Graf ins Haus getreten,
Deckt der Wirt den kleinen Tisch,
Setzt ihm Wein auf, Brot und Fisch,
Läßt sein zartes Söhnlein beten,
Und mit zaubrischem Erröten
Kommt sein Weib zum Tisch getreten,
Üppig schön im schlichten Kleid.
Wulf wird Herz und Auge weit!
»Sagt, ist dieses Eure Frau?«
Fragt er heimlich seinen Wirt,
Den er rasch zur Seite führt.
»Dies ihr Sohn, den ich erschaue? –
Ob ich meinen Augen traue!?
Sorgend, daß mein Herz mir graue,
Schließ' ich meine Ahnung ein,
In der Falschheit engsten Schrein.«
Dumpf und starr hat er gesprochen,
Tief drückt er die Mütz' ins Haupt,
Alles ist ihm jetzt geraubt,
Und sein Herz, das fast gebrochen,
Fühlt er ungestümer pochen
Als in jener holden Wochen,
Da er hoch in Ehren, laut
Dieses Weib hieß – seine Braut!!
»Seltsam ist des Schicksals Walten«,
Spricht der Fischer, »und Gewinn
Muß uns aus dem Tode blühn.
Dies mein Weib hab' ich erhalten,
Als des Grames Graungestalten
In den See, den trostlos kalten,
Schleuderten sie tief hinein;
Die Gerettete ward – mein!«
Als der Wulf die Kund' vernommen,
Hebt er zitternd seinen Wein,
Netzt die bleichen Lippen drein,
Rufend: »Ha! Willkomm! Willkommen!
Glücklich, wer dem Leid entschwommen,
Wem des Grames Leucht' verglommen!« –
Und in wütend lust'gem Sinn
Schleudert er den Becher hin.
Auf sein Bett mit bitterm Lachen
Wirft sich der betrogne Graf,
Den der Pfeil der Untreu' traf.
Alle Seelenfoltern wachen,
Und sie schüren, und sie fachen,
Bis die letzten Stützen brachen –
Wulfens Kissen ist die Pein,
Und die Rache wiegt ihn ein. |
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Freundlich schmückt man Tor und Zinnen
Auf des Maxlrainers Schloß.
Freud' und Jubel stürmen los,
Denn der Graf, der längst von hinnen
Schied, kam in des Mais Beginnen,
Wenn von Alpen Brünnlein rinnen,
Aus dem Heil'gen Land zurück,
Wo ihn kränzten Ruhm und Glück.
Ȇppig lockt der Tafel Freude,
Und der Tisch ist blank gedeckt,
Daß der Anblick Lust erweckt;
Und in seinem schönsten Kleide
Sitzt der Graf, der, lang im Leide,
Tief erbleicht', im Festgeschmeide
Jetzt mit einem Blick am Mahl,
Wie in Nacht des Wetters Strahl.
Zu dem Vogt, dem altersgrauen,
Ruft er: »Füll den Becher an!
Einsam bin ich, alter Mann,
Und will nette Gäste schauen,
Tapfre Männer, schöne Frauen;
Doch in allen deutschen Gauen
Blüht kein Weib, die mir gefällt
So, wie die ich jetzt bestellt.
Knechte, bringt mir doch die Gäste!«
Rasend flammt des Auges Glut,
Als er näßt in goldner Flut
Seinen Bart beim Maienfeste.
»Immer mangelt noch das Beste,
Denn ein Band, das stärkste, größte,
Möcht' ich schlingen mir zur Lust,
Wie's das Herz will in der Brust!«
Durch des Saales Pforte dringen
Knechte jetzt mit edlem Wild.
Dreifach scheint das Jammerbild,
Denn die blut'gen Jäger bringen
Ameley in Eisenringen
Und, an dem die Blicke hingen,
Auch das Söhnlein, auch den Mann
Zu dem finstern Mahl heran.
»Ei willkommen, seltne Gäste!«
Ruft der Graf mit vollem Hohn.
»Eurer harrt' ich lange schon.
Warum kommt ihr nur zum Reste?
Drum zu einem andern Feste
Lad' ich euch. Es ist das Beste.
Euer Wirt sei Gottes Luft,
Sättigend mit würz'gem Duft.
Seht ihr die drei Klippen ragen
Auf der Alpe höchstem Stein? –
Dort nehmt eure Mahlzeit ein!
Sturm soll euch die Speise tragen,
Sturm nach euren Lüsten fragen!
Gäste, ihr müßt nicht verzagen!
Seht, die Rache sättigt treu,
Und den Durst stillt sie dabei!
Fesseln soll man euch und schmieden
An die Klippen ja recht eng,
Daß kein Sturm die Bande spreng'.
Gehet ein zum ew'gen Frieden!
Solches ist der Dank hienieden,
Der der Untreu wird beschieden!
Nun Glück auf zum luft'gen Mahl!
Knechte, nehmt vom stärksten Stahl.« |
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Auf dem üppig weichen Bette
Liegt der Graf und kann nicht ruhn,
Denn ihn peint sein arges Tun,
Immer weckt's wie Klang der Kette,
Wie ein Rufen: »Rette, rette;
Von des Felsens hartem Bette!« –
Einen Knappen schickt er aus
Nach dem wüsten Bergeshaus.
Sieben Tage sind verronnen,
Seit des Grafen strengem Spruch,
Und ihn faßt der Reue Fluch.
Siebenmal vom Licht der Sonnen
Ward sein Frevel hell umsponnen,
Seit die Rach' ihr Werk begonnen,
Jetzo ihn die Qual erfaßt,
Läßt ihm keine Ruh' noch Rast.
Wieder kömmt der bleiche Bote,
Meldend von der Alpe Thron:
»Weh, der Spruch erfüllt sich schon,
Herr! In Ketten ruhn zwei Tote,
Droben nach dem Machtgebote,
Nur gefärbt vom Abendrote –
Und es heult des Berges Wind
Um den Vater und das Kind.
Nur die Frau, die Frau alleine,
Atmet noch im schweren Ring,
Der den zarten Leib umfing.
Herr, ich sah nicht, daß sie weine,
Doch erbarmen möcht' es Steine;
Denn so büßte wahrlich keine,
Die auf Erden je gefehlt,
So die Rache je gequält!«
Und dem Grafen kömmt ein Grauen
In des Herzens tiefsten Grund.
»Sattelt mir mein Roß zur Stund«,
Ruft er, »denn ich möchte schauen
Selbst das Jammerbild der Frauen,
Nicht der Angst mag ich vertrauen,
Die mir heiß das Herz erfüllt
Und der Rache Durst gestillt.
Spitze Eisen nehmt zu Handen,
Sputet euch, und folgt mir nach;
Auf des Felsens höchstes Dach
Geht mein Ziel. Wenn wir sie fanden,
Löst die Frau mir schnell von Banden,
Viel gebüßt hat sie für Schanden.
Dies mein Herz ist ja nicht Stein;
Schurken, spornt euch nicht die Pein?«
Die drei Klippen sind erklommen;
Ha, da schaut der Graf sein Weib,
Abgehärmt den üpp'gen Leib.
Und es schallt ihm kein Willkommen;
Zwar ihr Blick ist nicht verglommen,
Doch die letzte Kraft genommen,
Daß der Mund spräch' einen Laut;
Alles still – dem Grafen graut.
Und die Bande löst man schnelle,
Die Gefesselte wird frei,
Büßte ja den Bruch der Treu' –
Und sie sinkt von kalter Stelle,
Von des Himmels luft'ger Schwelle,
Doch es starrt des Blutes Welle. –
Wie die Kette fällt vom Leib,
Stirbt das unglücksel'ge Weib.
Als der Maxlrain gesehen
Solche Qual und solchen Schmerz,
Brennt in Wahnsinn ihm das Herz.
Nicht zu Gott kann er mehr flehen
Reuig – und in gleichen Wehen
Stürzt er sich von luft'gen Höhen
In den Abgrund tief hinab. –
Keine Seele sah sein Grab! |