In die stille Klosterzelle
Blinkt der Abendsonne Licht
Auf die schlichte Lagerstelle,
Auf ein totenbleich Gesicht;
Zu dem Bruder Dom'nikaner,
Der schon jahrelang hier wohnt,
Trat der strenge letzte Mahner,
Welcher keines Alters schont.
Um den Sterbenden kniet leise
Seiner Ordensbrüder Zahl,
Aber aus dem braunen Kreise
Glänzt auch mancher Ritterstrahl;
Freiburgs edler Herren viele,
Wackre Bürger noch dabei,
Meister in dem Saitenspiele,
Schließen auch sich an die Reih'.
Alle kamen sie zu lauschen
Konrads letztem Atemzug,
Konrads, der so hoch einst rauschen
Ließ des Liedes Adlerflug;
Würzburgs ruhmbekränztem Sohne
Bringen sie den Scheidegruß,
Der ihn zu des Höchsten Throne
Liebend noch begleiten muß.
Doch der Lebensmüde richtet
Noch einmal das Haupt empor,
Seine Blicke, neu gelichtet,
Brechen durch des Todes Flor,
Und er winket, aufzuschließen
Seiner Zelle Fensterlein,
Daß ihn voller noch umfließen
Mag der Sonne letzter Schein.
Draus im Blau, im wolkenlosen,
Sieht man hehr vom Dome blühn
Seiner Pyramide Rosen
In der Purpurstrahlen Glühn;
Und die eh'rnen Zungen regen
Sich nun auch zu dem Choral,
Der den frommen Abendsegen
Betet über Berg und Tal.
Dürstend hängen Konrads Augen
Am verklärten Münsterbild,
Klänge scheint sein Ohr zu saugen
Aus der Engel Luftgefild;
Seine letzten Kräfte sammeln
Nochmals sich zum neuen Schwung,
Leisen Munds, doch ohne Stammeln,
Spricht er mit Begeisterung:
»Brüder, Freunde aus der Runde!
Seid voll Dankes mir gegrüßt,
Daß ihr mir die bittre Stunde
Noch durch euren Trost versüßt!
Euerer Gebete Schwingen
Lassen aus dem Erdenband
Leichter meinen Geist sich ringen
Nach dem ew'gen Vaterland.
Von hienieden scheid' ich gerne;
Diese kampfestrübe Zeit
Hüllt des Sängers schönste Sterne
Tiefer stets in Dunkelheit;
Alle Zügel läßt erschlaffen
Sie der blinden Leidenschaft,
Nur in Schmach noch übt die Waffen
Fürstenstand und Ritterschaft.
Keines Ruhmes Ziele locken
Die verirrte Jugend mehr,
Zucht und Sitte fliehn erschrocken
Vor der Lüste wildem Heer.
Rohe Lieder nur noch schallen,
Wüster Spaß und Becherklang,
Wo sonst in den Ritterhallen
Tönte keuscher Minnesang.
Wo nur noch die Faust sich Recht schafft,
Da erlahmt des Harfners Hand;
Wo nur Tyrannei und Knechtschaft
Er noch sieht im Vaterland,
Wo er nirgends mehr noch Pflege
Hoffen darf für seine Kunst,
Sucht er auf dem Himmelswege
Rettung aus der Erde Dunst.
Darum hatt' ich hier ins Kloster
Mich geflüchtet aus der Welt,
In den Port, wo sturmdurchtoster
Seelenhimmel sich erhellt;
All mein irdisch Minnen streifte
Ab ich vor dem Friedenstor,
Denn in meinem Busen reifte
Heiß mein höchstes Lied empor.
Und ich schuf die Goldne Schmiede,
Drin mein Herz mit vollster Glut
Zu Marias Ruhmesliede
Hat verschmolzen all sein Gut;
Was nur Köstliches mein Seelen-
Schacht umschloß an Erz und Stein,
Gold und Silber und Juwelen
Schmiedet' ich ins Lied hinein.
Nehmt die Pergamentesrollen
Dort hervor aus jenem Schrank;
So nur, Brüder, Freunde, zollen
Kann ich euch noch meinen Dank
Für die Liebe, die dem greisen
Mönche stets bewahrt ihr habt:
Wenn an dieses Liedes Weisen
Ihr nach meinem Tod euch labt.
Was so kühn ich jetzt gesprochen,
Nehmt es hin als Schwanenlied!
Mein Gerät ist morsch gebrochen,
Selbst zusammen bricht der Schmied.
Von den andern Sängern neide
Ich nur einen einz'gen: dich,
Walther von der Vogelweide!
Du warst glücklicher als ich.
Denn dein Grab ist Würzburgs Erde,
Meiner teuern Vaterstadt,
Und auf seinem Futterherde
Ißt sich manches Vöglein satt.
Sei's – auch in der Fremde Grunde
Schläft der Sänger sanft und kühl,
Lebt er fort im Freundesmunde
Und in seines Volks Gefühl.
Aber euch, ihr jüngern Meister
In dem edlen Sangesspiel,
Mögen reine, gute Geister
Leiten zu dem hehrsten Ziel!
Strebt zum Lenz des höhern Lebens
Aus dem Wintersturm der Zeit;
Baut auf Gott! – Und nicht vergebens
Ringt ihr nach Unsterblichkeit!« –
Konrads Worte still verklingen
Mit der Glocken letztem Zug,
Mit des letzten Strahles Schwingen
Nimmt sein Geist den Himmelsflug.
Auf den Schatz der Goldnen Schmiede
Drücken alle heiß den Mund:
»Friede seiner Asche, Friede!«
Tönt aus jedem Herzensgrund. |