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Friedrich Benda befand sich wieder in Europa. Alle Zeitungen hatten die Auffindung des Forschungsreisenden gemeldet. Im Herbst des vergangenen Jahres hatten ihn arabische Elfenbeinhändler im Lande der Niam-Niam getroffen, hatten sich seiner angenommen und den schwer Erkrankten zum Nil transportiert. In England wurde er als Held und kühner Pionier gefeiert, die Geographische Gesellschaft ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied, und seine Erlebnisse bildeten das Tagesgespräch.
Ende April kam er nach Nürnberg, um seine Mutter zu besuchen. Man hatte die blinde Greisin mit äußerster Behutsamkeit vorbereitet; dennoch erlag sie fast der Freude, und eine Zeitlang war ihr Leben in Gefahr.
Benda hatte nur eine Woche bleiben gewollt; seine Geschäfte und seine Arbeiten riefen ihn nach London zurück; er sollte Vorträge halten und den Druck eines Buches überwachen, in dem er die in Afrika verbrachten Jahre geschildert hatte.
Die inständigen Bitten seiner Mutter bewogen ihn, seinen Aufenthalt zu verlängern. Zudem erlitt er gleich in den ersten Tagen einen Anfall jenes furchtbaren Fiebers, das er aus den Tropen mitgebracht hatte, und das ihn das Bett zu hüten zwang. Allmählich verbreitete sich in der Stadt das Gerücht von seiner Anwesenheit, und er wurde durch die Neugierde vieler belästigt, die sich vordem nicht im mindesten um ihn gekümmert hatten.
Zu Daniel zog ihn eine tiefe Unruhe, und jede versäumte Stunde wurde zum Vorwurf. Aber seine Mutter wollte ihn tagsüber nicht von ihrer Seite lassen; er mußte immer bei ihr sitzen und erzählen.
Als er von den äußeren Ereignissen hörte, die sich in Daniels Leben abgespielt, erfüllte ihn Schrecken. Den stärksten Eindruck übte auf ihn die Kunde von seiner Verheiratung mit Dorothea Döderlein. Dann trug man ihm allerlei Nachrichten über die Ehe der beiden zu, und mit jedem Tag dünkte ihn der Gang zu Daniel schwerer. Eines Abends hatte er sich entschlossen, hinzugehen und befand sich schon auf dem Egydienplatz, da überfiel ihn eine solche Furcht vor der Veränderung, die durch Zeit und Schicksale mit dem Freund geschehen sein mochte, daß er wieder umkehrte. Es war ihm zumut, als könne er durch ein Bild getäuscht werden, das vielleicht noch die Züge des Daniel aus vergangenen Jahren zeigte, aber so verwandelt im Innern war, daß Worte nicht mehr imstande waren, sie zueinander zu führen.
Es verlangte ihn, mit einem Menschen zu sprechen, der Daniel liebte und seinen Weg mit reinen Gesinnungen begleitet hatte. Da mußte er freilich lange Umschau halten. Endlich fiel ihm der alte Herold ein, und er besuchte ihn. Ohne Umschweife lenkte er die Unterhaltung auf den Punkt, der ihm wichtig war, und um den Alten vertrauensvoller zu stimmen, erinnerte er ihn an eine Nacht, wo sie selbdritt, Daniel, Herold und Benda, im Mohrenkeller Wein getrunken und von kleinen und großen Dingen des Lebens gesprochen hatten.
Der Greis nickte. Mit einer Bescheidenheit und Ehrfurcht, die Benda das Herz weit machte, sprach er von Daniels Genie. Er hob den Zeigefinger und sagte mit seinem schönen Feuerblick: »Für den steh ich ein. Da prophezei ich nach dem Wort der Bibel: Es wird ein Stern aufgehen aus Jakob.«
Dann schwärmte er von Lenore, erzählte, wie sie ihm einst das herrliche Quartett gebracht und von Begeisterung und Helferdrang geglüht habe. Auch von Gertrud wußte er manches, von ihrer Verstörung und von ihrem Tod.
Zugleich beruhigt und noch schmerzlicher aufgewühlt verließ Benda den Alten. Gedankenvoll schritt er lange Zeit dahin. Als er emporschaute, befand er sich vor Daniels Haus. Er ging hinein.