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Es war Dorothea gelungen, ihrem Vater den Vorteil klar zu machen, der sich für sie, als der nächsten Anverwandten, aus einer liebevollen Beziehung zu Herrn Carovius ergeben mußte. Andreas Döderlein sträubte sich eine Weile, aber er konnte dem vorausblickenden Scharfblick seiner Tochter die Anerkennung nicht versagen.
Als sie ihm den Auftritt im freiherrlichen Haus erzählt und die ungeheure Summe genannt hatte, die Herr Carovius mit Siegermiene eingefordert, hatte Döderlein ernst vor sich hingeblickt. Des verjährten Zwistes gedenkend, wahrte er den Schein der Unnahbarkeit und sagte: »Wir wollen uns nicht des elenden Mammons wegen erniedrigen.«
Ein paar Tage später jedoch sagte er ganz von selbst, seufzend wie ein Mann, der einen schweren sittlichen Kampf glorreich bestanden hat: »Tu was du willst, mein Kind, aber laß es mich nicht wissen.«
Man war ja arm. Man lebte von der Hand in den Mund. Das geringe Heiratsgut, das Herr Carovius seiner Schwester mitgegeben, war aufgebraucht. Margaret hätte Anspruch auf dreißigtausend Mark gehabt, Herr Carovius hatte ihr nur zwölftausend ausbezahlt, und dagegen war kein Appell möglich, denn Herr Carovius hatte sich von seiner sklavisch ergebenen Schwester um den Preis seiner Einwilligung in die Heirat eine schriftliche Verzichtserklärung ausstellen lassen.
»Ich bin düpiert worden,« sagte Andreas Döderlein und trug seinen Groll mit Würde.
Der Direktor der Musikschule starb, und Andreas Döderlein, der kraft seiner Leistungen wie auch seiner Persönlichkeit die nächste Anwartschaft auf dieses Amt hatte, erhielt die Bestallung. Seine ehemaligen Kollegen behaupteten, daß er, um dieses Ziel zu erreichen, manchen sauern Gang zu den Machthabern unternommen habe. Döderlein las in ihren Augen den Neid und lächelte.
Aber es war doch ein mühseliges Leben. »Die Kunst geht nach Brot,« sagte Döderlein mit einem heroischen Fernblick. »Was für eine Position könnte ich einnehmen, was für Werke könnte ich schaffen, wenn ich Zeit hätte! Man gebe mir Zeit, und«, – mit einer Handbewegung nach oben, – »die Adler werden mich grüßen.«