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Eh noch der Friede geschlossen wurde, legte sich Gottfried zum Sterben hin. Er wurde in dem kleinen Kirchhof an der Mauer begraben, und ein Kreuz wurde aufgerichtet.
Jason Philipp und Therese waren zur Beerdigung gekommen und blieben drei Tage bei Marianne wohnen. Die Hinterlassenschaftsprüfung ergab zu Mariannes Schrecken, daß keine zwanzig Taler im Hause waren, und was sie vor sich sah, war ein Leben der Not und des Kummers. Da waren Jason Philipps Ratschläge und Anordnungen ein rechter Trost, und seine Erklärung, daß er ihr nach Kräften beistehen wolle, beruhigte ihr Herz.
Es wurde beschlossen, daß sie einen Kramladen einrichten solle, und Jason Philipp schoß hundert Taler vor. Es hatte den Anschein, als sei Jason Philipp ein gemachter Mann. Er trug den Kopf hoch, und seine runden Bäckchen zeugten von Wohlgenährtheit. Er trommelte gern an die Fensterscheiben und pfiff dabei. Es war die Marseillaise, die er pfiff, aber in Eschenbach wußte man das nicht.
Daniel blickte aufmerksam auf seine Lippen und pfiff die Weise nach. Da lachte Jason Philipp, daß sein Bäuchlein erbebte, dann sagte er, sich der Trauerstimmung erinnernd: »So ein Bengel.«
Der Knabe mißfiel ihm jedoch. »Der selige Gottfried scheint sich zu wenig um ihn gekümmert zu haben,« sagte er, als er einmal Zeuge einer Widerspenstigkeit Daniels war, »der Bursch braucht eine starke Hand.«
Daniel hörte diese Worte und sah dem Onkel höhnisch ins Gesicht.
Am Sonntag nach der Vesper nahm das Ehepaar Schimmelweis Abschied, und Daniel war nicht da. Die Frau des Ochsenwirts rief herüber, sie habe ihn mit dem Organisten in die Kirche gehen sehen. Marianne lief zur Kirche, um ihn zu holen. Nach einer Weile kam sie zurück und sagte zu dem wartenden Jason Philipp: »Er sitzt bei der Orgel und ist nicht wegzubringen.«
»Er ist nicht wegzubringen?« fuhr Jason Philipp auf, und seine runden Bäckchen glühten vor Zorn, »was heißt denn das? Das läßt du dir gefallen?« Und er ging selbst in die Kirche, um den Ungehorsamen zur Stelle zu schaffen.
Als er in den Chor hinaufstieg, begegnete ihm der Organist und lachte. »Sie suchen wohl den Daniel?« fragte er; »der stiert noch immer die Orgel an und ist wie verzaubert von dem bißchen Spiel.«
»Will ihm den Zauber schon austreiben,« knurrte Jason Philipp.
Daniel kauerte hinter der Orgel auf dem Boden und blieb beim Anruf seines Onkels unbeweglich. Er war so versunken, daß seine Augen einen Ausdruck hatten, der Jason Philipp auf den Gedanken brachte, der Knabe sei vielleicht nicht recht bei Verstand. Er packte Daniel bei der Schulter und herrschte ihn an: »Komm mal sofort mit mir nach Hause.«
Die Augen aufschlagend und erwachend und das entrüstete Fauchen der fremden Stimme vernehmend, riß sich Daniel los und erklärte frech, bleiben zu wollen, wo er war. Jason Philipp geriet in Wut und suchte sich des Knaben neuerdings zu bemächtigen, um ihn mit Gewalt hinunterzuschleppen. Da sprang Daniel zurück und rief mit zitternden Lippen: »Rühr mich nicht an!«
Ob es nun die Stille des Kirchenraums war, die mahnend und erschreckend auf Jason Philipp wirkte, oder ob die außerordentliche Bosheit und Leidenschaft in den Zügen des Knirpses ihn veranlaßten, von seinem Vorhaben abzustehen, genug, er drehte sich um und ging wortlos davon.
»Es ist höchste Zeit, die Post wartet schon,« rief ihm seine Frau entgegen.
»Ein hübsches Früchtchen ziehst du dir auf,« sagte er mit finsterem Gesicht zu Marianne; »an dem wirst du noch was erleben.«
Marianne blickte zu Boden. Die Worte trafen sie vorbereitet. Die Wildheit und Verstocktheit des Knaben, das selbstsüchtige Beharren auf seinen Einbildungen, seine Härte, seine Ungeduld und die Verachtung jeder Regel, dies alles ängstigte sie sehr. Es wollte ihr scheinen, als ob das Schicksal etwas von dem törichten und quälenden Haß, den sie während der Schwangerschaft genährt, in das Gemüt des Kindes habe fließen lassen.