Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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8

Diese Augen so nahe zu wissen und ihre reine Glut; diesen aufrichtigen, kühlen, stummberedten Mund mit den Lippen berühren zu dürfen, diese Hände halten zu können, in denen Leidenschaft wohnte wie in der schweigsamen Unruhe eines Boten; diese bebende Gestalt in ihrer Bereitwilligkeit, ihrem holden Zögern an die Brust zu pressen, es war fast zu viel für Daniel, es war ein Schmerz darin, eine Ungeduld, ein Durst nach Mehr und immer Mehr, die sein tägliches Tun und Treiben, seine Gedanken, Pläne und Verrichtungen aus dem Zusammenhange rissen.

Mit Personen, die er kannte, sprach er wie mit Fremden; Unbekannte setzte er durch treuherzige Vertraulichkeit in Erstaunen; er vergaß seinen Hut aufzusetzen, wenn er auf die Straße ging, und legte bei zahllosen Anlässen eine Zerstreutheit an den Tag, die ihn dem Gelächter preisgab. Er wußte nicht, wann es Mittag war; er kam um drei Uhr und dachte, es sei zwölf; einmal wäre er auf ein Haar am Mariengraben von galoppierenden Pferden niedergerissen worden; ein anderes Mal wurde ihm am Ludwigsbahnhof sein Regenschirm aus der Hand gestohlen, ohne daß er es merkte.

O, Flügelwesen, Flügelwesen, sagte er bisweilen vor sich hin und lächelte wie ein Nachtwandler. Tief in seiner Seele brauste ein aufgeregtes Meer von Tönen; er horchte nur hin, trotz gelegentlich hervorbrechenden Zornes über ein Mißlingen des Besitzes und künftiger Windstille sicher. Er lebte so in sich selbst versponnen, daß er kaum den Himmel sah, und Häuser und Menschen und Tiere und was zur Notdurft des Daseins gehört, nur wie im Traum.

Flügelwesen, Flügelwesen.


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