Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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11

Auf dem Heimweg ging Daniel mit Lenore. Gertrud folgte mit Monsieur Rivière in weitem Abstand, denn sie konnte nur sehr langsam gehen.

»Wie war dir denn, Lenore?« fragte Daniel, »war dir nicht wie bei einem Fest der Leichen?«

»Lieber,« murmelte sie. Und sie gingen weiter.

Und als sie eine Weile schweigend gegangen waren, kamen sie unter einen engen Torweg. Da war es Lenore, als ertrüge sie Daniels stummes Fragen nicht mehr. Sie zog den seidenen Schal fester an ihre Wangen und flüsterte: »Laß mir Zeit. Dräng mich nicht. Laß mir Zeit.«

»Ließ ich dir nicht Zeit, du teures Herz, ich hätte den jetzigen Augenblick nicht verdient,« antwortete er.

»Ich kann nicht, ich kann nicht,« brach es verzweifelt aus ihr. Noch eine einzige Hoffnung hatte sie, einen letzten Schimmer von Hoffnung, und ihre ganze Seele drängte dorthin. Doch sie mußte schweigend handeln.

Mit Gertrud in der Wohnstube stehend, gewahrte Daniel, daß die Maske der Zingarella mit Rosenzweigen bekränzt war. Unter den jungen Blättern leuchteten Blütenknospen hervor, die wie rote Laternchen um den weißen Gips hingen. »Wer hat das gemacht?« fragte er.

»Lenore war am Nachmittag da, sie hat es gemacht,« erwiderte Gertrud.

Sein flammender Blick war auf die Maske geheftet, als Gertrud ihn umschlang und in der Fülle ihrer Empfindung ausrief: »Ach, Daniel, wie herrlich ist dein Werk, wie herrlich!«

»So? Gefällt es dir? Das freut mich,« entgegnete er trocken.

»Die Menschen fassen es ja nicht,« fügte sie leise und errötend hinzu, »nur ich weiß es, nur ich, weil es mir gehört.«

Am andern Tag legte er die Partitur der »Harzreise« samt allen Stimmen in eine große, alte Truhe und sperrte sie zu. Es war wie ein Begräbnis.


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