Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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Von Benda hatte Daniel in der ersten Zeit einige spärliche Nachrichten aus England erhalten; seit anderthalb Jahren hatte er nichts mehr von ihm gehört. Aber als Lenore im Juli aus Pommersfelden zurückkehrte, sagte sie ihm, daß im April ein Brief Bendas an ihre Adresse gelangt sei und daß sie ihm diesen Brief nach Naumburg geschickt habe. Doch der Brief hatte ihn nicht erreicht, und die Nachforschungen, die er jetzt anstellte, blieben vergebens.

Bendas Mutter war nicht in der Stadt. Sie lebte bei Verwandten in Worms, hatte aber die Wohnung im Haus des Herrn Carovius behalten.

Frau von Auffenberg weilte im Emser Bad und sollte erst im September zurückkehren. So knüpfte Daniel frühere Beziehungen wieder an, und es gelang ihm, einige Unterrichtsstunden zu bekommen, die ihm vorläufig einen kleinen Verdienst sicherten.

Die Tage forderten viel äußerliche Geschäftigkeit von ihm, der er nicht gewachsen war. Er hatte geglaubt, man könne heiraten, wie man in einen Laden geht, um etwas zu kaufen, ohne Lärm und ohne Aufenthalt. Er hatte hundert Launen, hundert Einwände, hundert Grimassen. Die Wohnung am Egydienplatz war gemietet worden; es erbitterte ihn, daß man, um mit einer geliebten Person zu leben, Tische, Betten, Stühle, Schränke, Lampen, Gläser, Teller, Kehrichtfässer, Wassereimer, Fensterpolster und tausenderlei Krimskrams haben mußte.

Es wurde in der Stadt viel über die bevorstehende Hochzeit geredet, und die Leute sagten, sie begriffen den Inspektor Jordan nicht. Der Mann muß arg heruntergekommen sein, hieß es, daß er seine Tochter einem Bettelmusikanten gibt.

Daniel fand alles schwer, alles war letztes Gericht für ihn. Eine Melodie fraß an seinem Herzen, ehe sie ihre reinste Form gewonnen hatte. Die Freiheit rief mit Himmelstönen; die stille Verlobte rief zur Kameradschaft. Die Aufgabe, der er sich geweiht, heischte Einsamkeit, dann riß ihn wieder das Blut hin, und er wurde weich und wild.

So stürzte er oft zu Jordans hinauf, trat mit wirren Haaren in die Stube, wo die beiden Schwestern emsig an Gertruds Ausstattung nähten, setzte sich hin, sprach kein Wort und wartete, bis Gertrud kam und ihm die Hand auf die Stirn legte. Er stieß sie zurück, aber das Mädchen lächelte sanft. Manchmal jedoch zog er sie an den Armen zu sich herab, dann lächelte Lenore, – schamhaft, als ertrüge sie nicht den Anblick Liebender.

Es war ein gebrauchter Stutzflügel gekauft worden, der einstweilen in der Wohnstube des Inspektors stand. An manchen Abendstunden spielte Daniel. Die Schwestern hörten zu. Gertrud glich einer Schlummernden, der alle Wünsche in Erfüllung gegangen sind und die ruht, geisterhaft beglückt ruht. Lenore aber wachte; wachte und sann.


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