Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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7

Alle sahen Philippine an; sogar der Inspektor heftete einen matten Blick auf sie. Daniel und Gertrud waren sehr befremdet. Daniel erkannte seine Base nicht, denn er wußte nichts von ihr und hatte sie nur einmal als Kind gesehen. Er wußte nicht, wer das abschreckend aussehende Wesen war und forderte mit einem fragenden Emporheben der Brauen von Lenore eine Aufklärung.

Lenore war die einzige, die Philippine wohlwollend betrachtete, und außerdem lag in ihrer Miene eine gewisse Neugier.

Philippines ganze Erscheinung hatte etwas Monströses. Schon ihre Toilette war abenteuerlich. Der große, braune Strohhut mit dem steif in die Höhe strebenden Band war ein wenig nach hinten geschoben, damit die über die Stirn hängenden modischen Simpelfransen nicht um ihre Wirkung gebracht würden. Das grell karierte Kleid war unterhalb der Brust mit einem gelben Stoffgürtel so fest umschnürt, daß die Plumpheit des Körpers dadurch ins Lächerliche wuchs und ihn einer großen Sanduhr ähnlich machte. Die grob geschnittenen Züge hatten den Ausdruck lauernder Tücke.

Nach einigen Minuten peinlicher Stille schritt sie auf Daniel zu und zupfte ihn am Ärmel. »Gell, du weißt gar nicht, wer ich bin?« fragte sie, und ihre kleinen Augen blitzten ihn mit rätselhafter Wildheit an; »ich bin die Philippine; die Philippine Schimmelweis bin ich.«

Daniel wich vor ihr zurück. »Nun gut, was soll's?« fragte er stirnrunzelnd.

Sie folgte ihm, packte ihn abermals am Ärmel und zog ihn in eine Ecke. »Hör zu, Daniel,« lispelte sie, »mein Vater, der muß dir Geld geben, so viel du brauchst. Dein Vater nämlich hat vor vielen, vielen Jahren alles Geld, was er gehabt hat, dreitausend Taler, meinem Vater gebracht, damit er's für dich aufhebt. Verstehst? Ich hab's erhorcht, wie mein Vater mit meiner Mutter davon gesprochen hat. Das ist auch schon an die sieben Jahre her, aber ich hab mirs damals hinter die Ohren geschrieben. Mein Vater hat das Geld für sich verwendet; er denkt, er kann's behalten. Geh hin und verlang, was du haben mußt, um denen da zu helfen. Darfst mich aber nicht verraten, sonst schlagen sie mich tot, verstehst? Darfst kein Sterbenswort von mir sagen, gell?«

»Ist das wahr?« entrang es sich Daniel, in dem unsäglicher Zorn mit unsäglichem Ekel kämpfte.

»Es ist wahr, Daniel, bei meiner Ehr und Seligkeit,« erwiderte Philippine, »geh nur hin; wirst schon sehen, daß es wahr ist.«

Lenore wandte während des Zwiegesprächs der beiden, aus dem kaum der Ton der Stimmen zu ihr drang, keinen Blick von ihnen ab.


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