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Als das Mittagessen vorüber war, standen die Kinder auf, um sich zum Schulgang zu bereiten. Jason Philipp zündete eine Zigarre an und zog die Zeitung aus der Rocktasche.
»Hast du was gefunden für den Schreiner?« fragte er paffend.
»Für den Schreiner was und für mich was,« lautete die Antwort.
»Wieso für dich was? Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, was es heißt. Ich hab ja immer gewußt, das mit dem Gelde damals ist nicht mit rechten Dingen zugegangen.«
»Mit was für einem Geld, Frau? Sprich nicht in Rätseln mit mir. Mit mir mußt du ohne Hintertüren reden, verstehst du mich?«
»Mit Gottfried Nothaffts Geld, Jason Philipp,« flüsterte Therese.
Jason Philipp beugte sich über den Tisch. »Hast du am Ende gar die alte Quittung gefunden?« fragte er mit weitaufgerissenen Augen, »die alte Quittung, nach der ich jahrelang gesucht –?«
Therese nickte. Sie nahm eine Haarnadel vom Kopf und stach sie in eine Brotrinde. Jason Philipp erhob sich und ging, die Hände auf dem Rücken, hin und her. inzwischen kam Rieke, die Magd, um den Tisch abzuräumen. Sie verrichtete ihr Geschäft mit vielem Lärm und wenig Eile, und als sie fertig war, pflanzte sich Jason Philipp vor Therese auf und stemmte die Arme in die Hüften.
»Du denkst wohl, ich soll mich von dir ins Bockshorn jagen lassen,« begann er; »da irrst du dich, meine Liebe. Verübelst du mirs vielleicht, daß ich dir und deinen Kindern eine menschenwürdige Existenz gegründet habe? Und daß ich deine Schwester vor dem Armenhaus bewahrt habe? Du tust ja, als hätt' ich das Geld auf der Kirmes verjuxt. Gottfried Nothafft hat mir dreitausend Taler anvertraut, jawohl, das hat er. Sein Wille war, daß die Sache nicht in die weiblichen Mäuler kommt. Sein Wille war, daß das sauer erworbene Kapital Früchte bringt, und nicht, daß ich es dem Schandbuben zum Verludern gebe.«
»Unrecht Gut gedeihet nicht,« versetzte Therese, ohne den Blick zu erheben. »Mag's zehn Jahre lang so scheinen, im elften kommt die Rache des Himmels, wie sich an unserm Markus zeigt.«
»Du redest im Wahnsinn, Frau,« schrie Jason Philipp, packte einen Stuhl und stieß ihn so heftig auf den Boden, daß alles Geschirr im Zimmer klapperte.
Thereses trotzige Bauernstirn wendete sich ihm furchtlos zu, und er hatte ein wenig Angst. »Was uns an Unglück ferner noch heimsuchen wird, verantworte du, wenn du kannst,« sagte sie mit tiefer Stimme.
»Hältst du mich für einen Banditen, Frau?« erwiderte Jason Philipp; »meinst du, ich will das Geld in die Tasche stecken? Kannst du dir nicht denken, daß ich höhere Zwecke verfolgen könnte? Solches geht wohl über dein Begriffsvermögen.«
»Was wären denn das für Zwecke?« fragte Therese mürrisch und mit zwinkernden Augen.
»Hör mich an,« fuhr Jason Philipp fort und setzte sich in lehrhafter Haltung auf den zuvor mißhandelten Stuhl; »der Schandbube soll klein beigeben. Auf den Knien soll er vor mir rutschen. Es ist nicht mehr so weit bis dahin. Ich habe mich erkundigt, ich bin auf seiner Fährte, ich weiß, daß er auf dem letzten Loch pfeift. Er wird kommen, verlaß dich darauf, er wird kommen und winseln. Dann, siehst du, nehm ich ihn zu mir ins Geschäft. Und dann kommt es darauf an, ob endlich ein brauchbarer Mensch aus ihm wird. Ist es der Fall, und bewährt er sich dauernd, na, so setz ich ihm eines Tages die ganze Geschichte auseinander und biete ihm an, als Teilhaber in die Firma einzutreten. Du wirst zugeben, daß er damit ein gemachter Mann ist und daß er das ohne weiteres einsehen und mir die Hand küssen wird. Und später dann, um die Beziehung noch fester zu knüpfen, werde ich ihn mit unserer Philippine verheiraten.«
Ein schiefes Lächeln glitt über Thereses Gesicht. »Mit Philippine, so so,« sagte sie eigentümlich singend, »mit Philippine; die wird schwer unter die Haube zu bringen sein, meinst du, und wer sie kriegt, hat an ihr genug. Das ist eine gute Idee.«
»Auf diese Art wird die Rechnung zwischen ihm und mir glatt,« schloß Jason Philipp, ohne den Hohn in Thereses Worten zu beachten, seine Ausführungen; »der Schandbube wird ein anständiger Mensch, das Geld bleibt in der Familie, und Philippine ist versorgt.«
»Und wenn er nicht kommt, wenn er nicht auf den Knien rutscht, wenn du dich verspekuliert hast, was dann?« Ob Jason Philipp an das, was er sagte, selbst glaubte, das wußte Therese nicht. Sie hatte keine Lust, darüber nachzudenken, und sie blickte nicht in sein Gesicht, sondern bloß auf seine Hände.
»Dann ist immer noch Zeit, den Plan zu ändern,« gab Jason Philipp ärgerlich zurück. »Verlaß dich nur auf mich. Ich seh mir alles an, ich zähl mir alles aus, ich kenne die Menschen, und ich irre mich nie. Mahlzeit.«
Damit ging er.
Therese blieb noch eine Weile sitzen, die Arme über der flachen Brust verschränkt. Als sie aufgestanden war und die Tür zu dem hofwärts gelegenen Zimmer geöffnet hatte, stockte sie auf der Schwelle, denn sie erblickte Philippine, die am Fenster saß und mit einer Miene von verdachterweckender Harmlosigkeit einen zerrissenen Strumpf stopfte.
»Was ist mit dir?« fragte Therese betroffen, »warum bist du nicht in die Schule gegangen?«
»Hab nicht können, hab Kopfweh,« antwortete das Mädchen und zog an der Nadel, daß der Wollfaden riß. Struppig über die Stirn hängende Haare verdeckten das herabgebeugte Gesicht.
Therese schwieg. Finster ruhte ihr Auge auf den geschäftigen Fingern Philippines. Es war zu vermuten, daß das Mädchen alles gehört hatte, was Jason Philipp mit seiner lauten Stimme gesprochen; sie mußte nicht einmal an der Tür gehorcht haben. Am liebsten hätte sie das hinterhältige Geschöpf gezüchtigt, aber sie beherrschte sich und ging still hinaus.
Philippine sandte ihr einen stechenden Blick nach, unterbrach jedoch ihre Arbeit nicht und begann leise und wie herausfordernd vor sich hin zu trällern.