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Daniel hatte sich bei dem Bürstenmachersehepaar Hadebusch eingemietet, auf dem Jakobsplatz hinter der Kirche.
Damals im März war es noch recht kalt geworden, und Frau Hadebusch hatte eine abergläubische Furcht vor Kohlen, die sie als Teufelsdreck bezeichnete. Hinten im Hof war das Holzlager, davon nahm sie die Scheite, mit denen die Öfen geheizt wurden. Aber diese Scheite waren teuer; hätte Daniel das eiserne Öfchen in seiner Mansardenstube mit so kostbarer Nahrung gespeist, so hätte die Monatsrechnung eine unerschwingliche Höhe erreicht. Er zahlte sieben Mark für die Stube und rechnete immer wieder, um seine Freiheit durch keinen vergeudeten Groschen zu verkürzen.
So saß er frierend bei seinen Büchern und Heften, bis endlich Frühlingswärme durch die offenen Fensterluken zog. Die Bücher holte er sich gegen Entrichtung von sechs Pfennigen für den Band von einer Leihbibliothek am Königstor. Achim von Arnim und Jean Paul waren in jener Zeit seine Dichter; bei dem einen fand er die Welt außen wunderbar geschmückt, bei dem andern innen.
Mit dem Meldezettel Daniels, auf welchem er sich Musiker nannte, kam Frau Hadebusch in die Wohnstube, die, wie alle Räume im Haus, wie für Zwerge gebaut war und, wie gleichfalls alle Räume, nach Leim und Laugenwasser duftete. Es hatten sich dort, da es Feierabend war, Herr Francke und Herr Benjamin Dorn niedergelassen, die Mieter des Mittelstocks, ferner der Sohn der Frau Hadebusch, der schwachsinnig war und grinsend auf der Ofenbank hockte.
Herr Francke war Stadtreisender für ein Zigarrengeschäft und galt bei den weiblichen Dienstboten der Umgebung als ein gefährlicher Herzensdieb; Benjamin Dorn war Schreiber bei der Versicherungsgesellschaft Prudentia, gehörte einer Methodistengemeinde an und stand wegen seiner gottgefälligen Lebensführung bei allen respektablen Leuten in Respekt.
Das Schriftstück wurde von den Herren eingehend und mit gerunzelten Stirnen geprüft, und Herr Francke äußerte sich dahin, daß ein Musiker, von dem man keine Musik vernehme, mit nichten als Musiker zu betrachten sei.
»Wird die Baßgeige oder das Flügelhorn, oder was er sonst gelernt hat, ins Pfandhaus getragen haben,« sagte er geringschätzig; »vielleicht kann er nur trommeln, und das kann ich auch, wenn man mir eine Trommel gibt.«
»Ja, eine Trommel muß man haben, um trommeln zu können,« bemerkte Benjamin Dorn; »es ist jedoch die Frage, ob sich so ein Gewerbe mit den Grundsätzen christlicher Bescheidenheit verträgt.« Er legte den Finger an die Nase und fügte hinzu: »Es ist eine Frage, die ich, in aller Demut versteht sich, in aller Demut verneinen möchte.«
»Er hat gar keine Verwandten, sagt er, und gar keine Bekannten,« jammerte Frau Hadebusch mit einer Stimme, die klang, wie wenn man Rüben auf einem Reibeisen schabt, »und gar keine Stellung und gar keine Aussichten und von Stiefeln und Kleidern nichts, als was er auf dem Leibe trägt. Mein Lebtag hab ich keinen solchen Zimmerherrn gehabt.«
Der Meldezettel flatterte auf den Boden, von wo ihn der schwachsinnige Hadebusch junior aufhob, eine Tüte daraus drehte und diese in den Mund steckte, um Trompete zu blasen, eine Prozedur, bei welcher das wichtige Dokument allmählich aufgeweicht und so seiner Bestimmung entzogen wurde. Frau Hadebusch hielt zu wenig von den polizeilichen Vorschriften, um sich in der Folge noch einmal um ihre Vermieterinnenpflicht zu kümmern.
Herr Francke nahm ein Paket schmieriger Karten aus der Tasche und begann zu mischen. Frau Hadebusch kicherte gleich einer Hexe, wenn es im Kamin raschelt, der Methodist bezwang seine frommen Skrupel und zählte Pfennige auf das Tischbrett, und der Stadtreisende stülpte die Rockärmel hoch, als sei er im Begriff, einem Huhn den Hals abzuschneiden.
Es dauerte nicht lange, so erhob sich ein mißtönendes Gezänke, da Herr Francke zur Göttin Fortuna in einem etwas gewalttätigen Verhältnis stand. Der alte Bürstenmacher steckte den Kopf in die Tür und fluchte, der Schwachsinnige blies träumerisch die papierene Trompete, und die vorhin so friedfertig gewesene Gesellschaft stob wutschnaubend auseinander.