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Als die Schwangerschaft vorschritt, verließ Dorothea nur noch selten das Haus. Sie blieb bis um elf Uhr vormittags im Bette, dann frisierte sie sich umständlich, hielt Musterung unter ihren Kleidern und schrieb Briefe.
Sie hatte eine seltsam ausgebreitete Korrespondenz, und die Empfänger der Briefe rühmten ihren amüsanten Stil.
Nach Tisch legte sie sich wieder ins Bett, und spät am Nachmittag kamen Besuche, nicht nur Frauen, sondern auch allerlei junge Männer. Meist wußte Daniel gar nicht, wie die Leute hießen. Er zog sich dann in die Kammer zurück, wo Lenore einst gehaust hatte, und hörte Gelächter und lautes Reden über die Stiege heraufschallen.
Des Abends war Dorothea müde; ein wenig verdrossen saß sie im Schaukelstuhl und las die Zeitung oder die »Wiener Mode«.
Daniel hoffte zuversichtlich, daß all dies nach der Geburt des Kindes besser werden, daß Muttergefühl, Mutterpflicht belehrend und bekehrend wirken würde.
Im Spätherbst brachte Dorothea einen Knaben zur Welt, der auf den Namen Gottfried getauft wurde. Sie konnte sich nicht genug tun an Überzärtlichkeit; ihr Entzücken äußerte sich in kindischen Ausdrücken.
Sechs Tage lang reichte sie dem Säugling die Brust; als es kein Spiel mehr sein konnte und die Freundinnen sie warnten, wurde sie des Stillens überdrüssig. »Es verdirbt einem die Figur,« sagte sie zu Philippine, »Kuhmilch ist so gut wie Menschenmilch, wenn nicht besser.«
Philippine sperrte Mund und Augen auf, als Dorothea mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel trat und ihr Ebenbild mit einem Ernst anschaute, der sonst nie an ihr zu bemerken war.
Dorothea wurde kalt gegen ihr Kind, und es schien, als habe sie vergessen, daß sie Mutter war. Der Säugling lag bei Philippine und Agnes in der Stube, und beide pflegten ihn an Stelle der Mutter.
Wie wenn sie Versäumtes nachholen und sich entschädigen müßte für die Leiden und Beschwerden der vergangenen Zeit, stürzte sich Dorothea mit gesteigerter Gier in Vergnügungen. Bald aber fand sie sich durch Geldmangel auf allen Seiten gehemmt. Gütig und fest stellte ihr Daniel vor, daß die Gehälter, die er als Organist und als Lehrer bezog, gerade für das Hauswesen reichten und er seine eignen Bedürfnisse ohnehin so viel wie möglich beschränke, um es in der bisherigen Wohlhäbigkeit weiterzuführen. »Wir sind keine Bürger,« sagte er, »und daß wir nicht ganz von Zufalls Gnaden leben, ist eher mein Makel als mein Vorzug.«
»Och, du Knauser,« schmollte Dorothea. Häßliche Falten zeigten sich auf ihrer Stirn. »Hättest du mir nicht meine Kunst verekelt, so könnt ich auch was verdienen,« fügte sie hinzu.
Er sah stumm zu Boden. Sie aber sann auf Mittel und Wege, um zu Geld zu kommen. Onkel Carovius, der könnte mir helfen, dachte sie. Sie ging nun oft zu ihrem Vater ins Haus und wartete eine Weile vor der Stiege, ob sich Herr Carovius nicht zeigen würde. Eines Tages trat er endlich aus seiner Tür; sie wollte grüßen, wollte freundlich lächeln, aber ein einziger Blick in dieses von einem gefrorenen Ingrimm erfüllte Gesicht belehrte sie darüber, daß jeder Versuch, den Alten umzustimmen, fruchtlos war.
Der Zufall ließ sie auf dem Heimweg Edmund Hahn begegnen. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie verheiratet war. Der Schauspieler schien hocherfreut, sie zu treffen. Sie gingen zusammen weiter, und es entwickelte sich ein eifriges Gespräch, das zuerst laut, dann immer leiser geführt wurde.