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Da nun der Sommer gekommen war, die heißen Augusttage, wanderten die beiden Freunde häufig vor die Stadt hinaus und in die Wälder gegen Feucht oder Fischbach, oder zum hohen Bühl.
An einem solchen Ausflug nahm auch Lenore teil. Es war fein, sie anzusehen, wenn sie den Duft der Blumen und der Nadelbäume, die Formen der Wolken und den Wechsel der Landschaft genoß. Da glich sie einem selig hingleitenden Vogel, der sich in den oberen Regionen vom Schmutz der unteren rein badet.
Mit verständiger Aufmerksamkeit lauschte sie den Gesprächen der Freunde. Ein leuchtender Blick, ein Hochründen der Brauen zeigte, daß sie Partei ergriff und Wort und Gegenwort sich in ihrem Sinn zurechtlegte. Wurde sie veranlaßt, eine Meinung zu äußern, so traf sie damit gewöhnlich den Nagel auf den Kopf.
Auf dem Heimweg brach die Nacht herein, der Himmel war ganz klar geworden, und die Sterne strahlten in großer Pracht. Es fielen Sternschnuppen, und Lenore meinte, so viel Wünsche habe sie gar nicht, wie sie jetzt äußern könne. Der gelehrte Benda erwiderte lächelnd, in diesen Augustnächten seien die Asteroidenschwärme unterwegs, da scheine oft das ganze Firmament in lebendiger Bewegung, und man könne leicht vom Wünschen müde werden.
Lenore begehrte zu wissen, was Asteroiden seien, und er erklärte es ihr nach bestem Vermögen. Dann sprach er von den Sternbildern und von der Milchstraße und sagte ihr, daß diese aus Millionen einzelner Sterne bestehe. Er sprach auch von der Größe der Sterne, und da er sie bisweilen Sonnen oder Welten nannte, wurde sie stutzig und fragte, ob denn auch Erden darunter seien. Wie, Erden? Wie sie dies verstehe? Nun, solche Erden wie die, auf der sie selbst jetzt wandelte und lebte. Ohne Zweifel, wurde geantwortet. Und ob auf diesen Erden auch Bäume seien, Tiere seien? Dies sei wohl anzunehmen, auf vielen wenigstens. Und ob auch Menschen? Wahrscheinlich, lautete die Auskunft, weshalb sollte denn der unbedeutende Ball, der sie trage, einen Vorteil haben? Wenn nicht Menschen im irdischen Verstand, so doch Wesen mit Vernunft und Gefühl.
»Es können also solche Geschöpfe wie Sie und Daniel und ich da oben existieren?«
»Gewiß.«
»Und auf all den Sternen gibt es vielleicht zahllose Völker und Menschheiten, von denen wir nichts wissen, nichts ahnen?«
»Gewiß.«
Da setzte sich Lenore auf einen Meilenstein am Weg, schaute mit zuckenden Lippen vor sich hin und brach plötzlich in Tränen aus. Benda nahm ihre Hand und streichelte sie beruhigend.
»Sie tun mir alle so leid,« schluchzte Lenore, blickte hinauf und lächelte nun unter Tränen. Benda hätte am liebsten Daniels Arm gepackt und ihm zugerufen: nun schau sie dir doch mal an! Daniel schaute sie wohl an, aber er sah sie nicht.