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Matt und warm lag die Oktobersonne über dem Land; die Wälder flammten im Herbstlaub, die Äcker dehnten sich kahl, den Hügeln der Frankenhöhe entlang zogen Wolken als föhniger Flaum.
Sie waren bis Triesdorf mit der Bahn gefahren, dann mit dem Postwagen bis Merckendorf. Von hier aus gingen sie zu Fuß. Daniel wies auf eine Gänseherde hin, die am Ufer eines abgelassenen Weihers trottete, und sagte: »Das ist unser Heimatsvogel, sein Gackgack ist unsere Musik. Es klingt aber gar nicht übel.«
Eine Bäuerin ging vorüber und bekreuzigte sich vor einem Heiligenbild. »Sonderbar, daß hier plötzlich alles katholisch ist,« sagte Lenore.
Daniel nickte und erwiderte, als sein Vater nach Eschenbach gezogen, hätten noch einige protestantische Familien dort gewohnt, die sich zum Gottesdienst zusammengetan. Später seien die meisten ausgewandert, und jetzt sei seine Mutter vielleicht noch die einzige Protestantin im ganzen Ort. Aber sie habe dadurch nie Schlimmes erfahren, und er selbst sei als Knabe häufig in die Kirche gegangen, freilich bloß, um die Orgel zu hören, doch habe niemand daran Anstoß genommen. »Immerhin ists ein anderer Schlag Menschen,« fügte er hinzu, »äußerlicher als wir und heimlicher zugleich.«
Lenore hielt den Blick auf den Kirchturm gerichtet, dessen spanisch-grünes Dach aus der Talsenkung emporstieg. Nach langem Schweigen sagte sie: »Ob es ein Bub sein wird oder ein Mädchen, Gertruds Kind? Sicherlich ein Mädchen. Eines Tages wird es auf der Welt sein und wird mich anschauen mit Augen, mit wirklichen Augen. Wie seltsam, dein Kind wird mich anschauen!«
»Was ist da zu staunen? Viele werden geboren, viele schaun einen an.«
»Und wie willst du's heißen?« fragte Lenore.
»Wenn es blond ist und blaue Augen hat wie du, soll's Eva heißen.«
»Eva!« rief Lenore aus, »nein, so kann's nicht heißen.« Sie selbst hatte damals für das Kind der Dienstmagd den Namen Eva gewählt, und daß er jetzt gerade auf diesen Namen verfiel, erschien ihr sonderbar.
»Warum denn nicht Eva?« forschte er, »da steckt wieder etwas dahinter. So ein Weibsvolk hat doch immer was im Extratopf zu kochen. Heraus mit der Farbe!«
Lenore schüttelte lächelnd den Kopf. Gern hätte sie ihm alles gestanden, aber sie wußte nicht, wie er es aufnehmen würde; sie fürchtete, er werde umkehren im Zorn über ihre Listigkeit. Trat das Kind einmal vor ihn hin, dann hielt es ihn auch, das wußte sie.
Sie waren stehen geblieben und blickten über die sonneglänzende Ebene. »Wie allein wir sind,« sagte Daniel.
»Alles ist leichter hier,« antwortete Lenore gedankenvoll; »könnte man nur vergessen, woher man kommt, man könnte glücklich sein.«