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615. Von dem König von Spanien und seiner Frau.

Zs. f. Vk. 2, 201 f. 3, 462. »Das Märchen von den sieben Grafen« (aus Lunden). Bolte 3, 520. – Der Schuldige spricht sich selbst das Urteil: Wisser 109.

Der alte König von Spanien hatte sieben Söhne. Einmal nun war er krank, da hat sein ältester Sohn ihm was erzählt. Da sagte der König: »Mein Sohn, das hast du aus den Büchern gelesen, das hast du nicht selbst erfahren.« Das verdroß den ältesten Sohn, und Nacht und Tag sann er darauf, wie er sich selbst was in der Welt versuchen könnte. Da ließ er sich ein Schiff bauen und wollte zur See fahren. Als er aber damit fertig war und wegfahren wollte, ist der alte König tot geblieben; da ließ er ihn begraben und ward nun selbst König. Aber nun mußte er auch eine Frau nehmen; das war eine ganz kluge und weise Frau. Des Morgens nach der Hochzeit, als er von ihr aufstand, schenkte sie ihm ein Hemd, das war allezeit weiß, aber wenn sie tot bliebe, sagte sie, würde es schwarz werden, und führte sie sich nicht auf, wie eine Frau müßte, dann würde es ganz fleckerig.

Es ließ dem König gar keine Ruh, er wollte sich was versuchen in der Welt. Da ging er auf sein Schiff und fuhr nun zu See. Da aber kam ein großer Sturm und verschlug das Schiff weit herum bis ganz nach der Türkei, da nahm der Türke ihn gefangen. Der Sultan ward ganz vergnügt, als er hörte, daß es der König von Spanien war; er schickte gleich ein Schiff nach Spanien mit seinem Minister, das sollte die Königin auch holen, er wollte sie zur Frau haben. Aber die Königin ließ ihm sagen, sie müßte ihrem König treu bleiben, sie könnte sich nicht verheiraten, solange sie nicht wisse, wo ihr König hingekommen und ob er noch lebendig oder schon tot sei. Da mußte der Minister wieder nach seinem Schiff zurückreisen. Die Königin aber wußte gar nicht, wo ihr Mann geblieben war; das hatte sie nicht erfahren. Nun machte sie sich auf und wollte ihn suchen, und kam in einen großen Wald, da traf sie einen Einsiedler. Den fragte sie, ob er nicht wüßte, wo ihr Mann wäre, sie wollte reisen und ihn aufsuchen. Der Einsiedler sagte, sie hätte ja noch ihre königlichen Kleider an, damit könnte sie nicht reisen, die müßte sie ablegen, und dafür seine anziehn. Das tat nun die Königin. Und darauf wies sie der Einsiedler durch den Wald, dann käme die große See, da würde sie ein Schiff finden, da solle sie nur mitfahren. Als die Königin nun an das Schiff kam, so war da ein vornehmer Mann darauf, den erkannte sie aber gleich, daß das des türkischen Sultans Minister sei, der sie hatte holen sollen. Sie fragte den Minister, ob sie nicht mit nach der Türkei fahren könnte sie könnte so schön spielen und dazu singen. Da hat der Minister sie gerne mitgenommen.

Der Minister ist nun mit ihr nach der Türkei gesegelt, und als er vor den Sultan kam, sagte er: »Die Königin von Spanien haben wir nicht mitbringen können, aber wir haben einen spanischen Einsiedler mitgebracht, das ist allein der Mühe wert, der kann so schön singen.« Da sagte der Sultan: »Laß die Königin von Spanien bleiben, wo sie lieber ist; aber laß den Einsiedler vor mir spielen, du sollst mit mir und ihm dafür allezeit essen über Tafel.« Als nun der Sultan den Einsiedler hatte singen gehört sagte er wieder zu seinem Minister: »Den Einsiedler laß ich nicht von mir, er ist mir zu lieb, den mußt du mir lassen, ich gebe dir eine Tonne Goldes dafür.« Und darauf ließ der Sultan dem Einsiedler auch ein Instrument holen, worauf er spielen sollte. Er rief den gefangenen König von Spanien herein und sagte: »Der König von Spanien soll dein Fußschemel sein.« Da mußte der König an der Erde liegen und seine Frau setzte ihm ihre Füße in den Nacken; er hat sie aber nicht erkennen können. Und das geschah jedesmal, wenn der Einsiedler vor dem Sultan spielen mußte.

Der Einsiedler sang und spielte alle Tage vor dem Sultan und der hatte ihn immer lieber. Er mußte auch jeden Tag mit ihm in seinem Rosengarten spazieren gehn. Da sprach er einmal zu dem Sultan: »Mein lieber Sultan, kann ich wohl die schöne Rose aus deinem Garten pflücken?« »Ja, mein lieber Einsiedler«, sagte der Sultan, »bitte von mir, was du willst, es soll dir alles gewährt werden.« Da sagte der Einsiedler: »So bitte ich um den König von Spanien, den wollte ich gerne wieder in sein Land bringen.« Das verwilligte der Sultan, aber der Einsiedler mußte ihm vorher schwören, daß er wiederkommen wollte, wenn er den König von Spanien in sein Land gebracht hätte. Nun brachte der Einsiedler den König von Spanien wieder in sein Land, aber wollte gleich wieder weg. Da sprach der König von Spanien: »Mein lieber Einsiedler, nun lasse ich dich nicht wieder in die Türkei ziehn, du mußt bei mir bleiben, ich will mich nicht von dir trennen.« Der König wollte ihn gar nicht weglassen und so mußte der Einsiedler dableiben.

Als der Minister nun zu dem König kam, da fragte dieser ihn, wo denn die Königin wäre. Der Minister sagte: »Die hat sich schlecht aufgeführt, sie ist mit ihrem Kutscher weggelaufen.« Da sprach der König: »Ei, das wundert mich doch, mein Hemd ist noch ganz weiß, das meine Frau mir gab, als ich sie freite.« Der Minister sagte: »Das weiß ich nicht, aber sie ist weggelaufen und niemand weiß wohin.« Darüber ward der König ganz traurig. Nun hatte der Minister an ihn das Ansinnen, er sollte seine Tochter wieder zur Frau nehmen. Der König gab sich auch darin. Über Tafel saß die Ministerstochter bei ihm und er ward sich mit ihr herzen und küssen. Aber gleich ward er doch wieder ganz traurig und seufzte immer über seine Frau. Nun mußte der Einsiedler immer dabei sein und singen, wenn der König und der Minister über Tafel waren. Da sagte der König zu ihm: »Komm, mein lieber Einsiedler, singe mir ein schönes Stück, mich zu trösten mit deiner schönen klaren Stimme.« Und der Einsiedler sang:

Ach, wie muß ich so betrübt
Aus diesem Garten gehen,
Und was ich sonst zuvor geliebt,
Alljetzt in fremden Armen sehen.

Da sagte der König: »Mein lieber Einsiedler, du weißt gewiß meine Frau.« Der Einsiedler aber sagte, der Minister hätte ja gesagt, sie wäre weggelaufen. »Ja, wohl sagt er das, aber mein Hemd ist doch noch weiß«, sagte der König. Nun ging er mit dem Einsiedler in ein besonderes Zimmer und fragte ihn ganz vertraulich: »Weißt du meine Frau, so sage es mir doch.« »Ja, ich wüßte sie wohl«, sagte der Einsiedler, »aber wenn ich dir das auch sagen wollte, so würdest du es doch nicht glauben. Ich habe dich aus der Türkei geholt und du bist mein Fußschemel gewesen alle Tage und bin so lange bei dir gewesen und du hast mich nicht gekannt und hast geglaubt, was der Minister dir gesagt hat.« Da sah der König den Einsiedler einmal recht an und ward gewahr, daß es seine Frau wäre. Nun aber ward er falsch auf den Minister. Er ließ ein groß Gastgebot anrichten und die Minister und seine Statthalter alle dazu einladen, und als sie alle beisammen waren, fragte er sie, was derjenige wert sei, der einen andern während seiner Abwesenheit verleumdet hätte. Da sagte der erste Minister: »Der ist wert, daß ihm die Zunge aus dem Hals gerissen wird.« Da kam die Königin in ihren königlichen Kleidern herein und der König sagte: »Da steht sie, die du verleumdet hast.« Und darnach ließ er den Henker kommen und dem Minister die Zunge aus dem Halse reißen, nach seinem eignen Urteilspruch.

Aus Berkenthin in Lauenburg, nach der Erzählung eines alten Mannes, durch Kandidat Arndt. – Das Stück entspricht im ganzen dem Inhalt des Liedes vom Grafen von Rom, jetzt bei Uhland II, 784, und des flämischen Volksbuches vom Ritter Alexander aus Metz und seiner Frau Florentina, bei Grimm, Deutsche Sagen Nr. 531. Weil aber jenes Lied doch augenscheinlich nicht die Quelle unserer Erzählung ist, möchte man auf ein deutsches Volksbuch als Quelle schließen?

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