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37. Klaas Störtebeker und Göde Micheel.

Im Hohlbeck zwischen Hude und Schwabstedt hat Störtebeker bei seiner Gefangennahme eine goldene Ankerkette in den Morast versenkt, die dreimal um Schwabstedt herumreicht (mündlich; vgl. Nr. 168 Kette um Krempe). Jb. f. Ldk. 10, 358. Heim. 9, 66. Urdsbr. 3, 116 ff. 126 ff. 6, 109. Voß u. Jessel, Fehmarn S. 65. Hansische Geschichtsbl. 1877, S. 53 ff. Frahm 55 ff. 178. Zs. f. schl.-holst. Gesch. 4, 21. 11, 245. 32, 232. – Zur Klage an den Stein vgl. Wisser S. 109. Bei Lorenzen S. 34 klagt das Mädchen dem Ofen (aus Broaker). Bolte 1, 19 Anm. – Zu 37, 2 vgl. die Geschichte vom Wassermann und seiner Liebsten Kl. Grvth Ges. W. 2, 48 f. Grundtvig, Danm. Folkeviser 2, 53 (Hadersleben). – Anm. Zum Streuen der Erbsen vgl. Kristensen 4, 1575. Fischer, Slesvigske Folkesagn3 (1890) S. 112 ff. Lorenzen S. 34.

(1400.)

1.

Störtebeker und Göde Micheel waren Seeräuber und trieben lange Zeit vor der Elbe ihr Wesen, so daß kein Schiff heraus oder herein konnte, sie hätten es denn erst vorgenommen. Unser König und die Hamburger konnten ihnen nichts anhaben. Endlich aber hat ein Blankeneser Fischer sie gefangen, als sie einmal in der Elbe lagen. Er war ihr alter Bekannter und Kamerad gewesen, ward freundlich von ihnen aufgenommen und bat sein Boot an ihr Schiff zu legen, weil das Wasser unruhig sei; er wolle sich Essen kochen. Da es nun Nacht ward und sie meinten, er sei mit dem Essen beschäftigt, schmelzte er Blei und lötete damit ihnen das Steuerruder fest. Unbemerkt entfernte er sich nun und machte den Hamburgern davon Anzeige, die ihn bis an seinen Tod dafür gut verpflegen ließen.

Drei Jachten machten sich sogleich auf, wie man versichert, eine aus Hamburg, eine aus Altona und die dritte eine preußische. Am Morgen fielen sie über die Seeräuber her, und da diese sich nicht rühren konnten, wurden sie nach tapferer Gegenwehr endlich alle gefangen. So brachte man sie, siebenzig an der Zahl, nach Hamburg und alle wurden auf dem Grasbrook geköpft, wobei so viel Blut floß, daß es dem Scharfrichter bis an die Knöchel ging. Nach der Hinrichtung fragte ihn der Senat, wie ihm dabei zu Mute gewesen sei. »O, gestrenge Herren«, antwortete er, »mir war so wohl dabei, daß ich auch noch den ganzen hochweisen Senat hätte abtun mögen.« Diese kecke Antwort aber mußte er mit seinem Leben büßen.

Vergebens hatten die Hamburger in dem Schiffe nach großen Schätzen gesucht; da man nichts fand, verkaufte man es endlich an einen Zimmermann, es zu zerschlagen. Als der aber die Säge ansetzte, traf er gleich auf etwas Hartes und bald schimmerte ihm das helle Metall entgegen. Er machte dem Magistrat Anzeige davon, und als man nun die Masten untersuchte, war der eine mit purem Golde, der andere mit Silber und der dritte mit Kupfer angefüllt. So waren auch die übrigen Balken ausgehöhlt. Man belohnte den Zimmermann reichlich und ließ aus dem Golde eine Krone verfertigen, die um den St. Katharinenturm reichte. Daraus haben die Franzosen später Dukaten geschlagen.

Mündlich von Herrn cand. theol. Rejahl aus der Elbmarsch und durch Herrn Hansen in Keitum auf Sylt und aus Tondern.

2.

Man weiß noch vieles von Störtebeker und Göde Micheel zu erzählen, und lange ist hier im Lande ein Lied von ihnen gesungen worden. Sie haben in Bombüll in der Wiedingharde, in der Uhlenflucht im Amt Steinburg, an der Stör nicht weit von Hohenaspe und Mehlbek, und anderswo, auch in Dänisch Wohld und Angeln, ihre festen Burgen und Schlupfwinkel gehabt. In den Schwabsteder Mühlenberg haben Störtebeker und Göde Micheel eine große silberne Tafel vergraben, und so arg mit Seelen verbannt, daß es niemand noch gelungen ist, sie zu heben. Bei Puttlos, an der Ostsee in der Nähe von Oldenburg, wo sie auch einen Sitz hatten, haben sie viele unterirdische Gänge angelegt, und da ihre Schätze verborgen; sie konnten dadurch vom Schlosse bis an das wilde Wasser kommen, und hatten ihren Ausgang beim Weinberg, einem Holz auf einem Berge. Daher hat man noch heute in Oldenburg das Sprichwort: » Du kümms tau laat in'n Wienbarg.« Da bei Oldenburg leben auch noch Nachkommen von Störtebeker.

Folgende Geschichte, sagen einige Leute, sei dem Görtmicheel passiert:

In Wandelwitz (oder in Kröß, wie andre sagen,) war einmal eine große hübsche Dirne. Aber auf einmal verschwand sie, und man wußte nicht, wo sie geblieben war. Die beiden Eltern grämten sich Tag und Nacht um das einzige Kind; aber alles Suchen war vergebens. Es vergingen sieben Jahre und fast hatte man sie schon vergessen; da war sie mit einem Male wieder da, und niemand wußte wieder, wo sie hergekommen sei. Die Freude der Eltern war groß; aber keiner konnte von ihr es herausbringen, wo sie so lange gewesen; sie sagte, daß sie es nicht verraten dürfe. »So klag es dem großen Stein, der neben der Seitentür liegt«, sagte die Mutter. Da ging die Tochter hin, kniete nieder und sprach:

Stein, ich klag Dir meine Not,
Der Räuber hat mich nach dem Weinberg weggeholt.

Und sie erzählte weiter, daß sie die sieben Jahre bei ihm gewesen sei und ihm sieben Kinder geboren hätte; sie hätte immer gerne einmal wieder nach Hause gewollt, aber der Räuber hätte es nicht haben wollen; sonst hätte sie es gut bei ihm gehabt und könnte über nichts klagen. Endlich habe sie Erlaubnis erhalten, aber ihm vorher versprechen müssen, keinem zu sagen, wo sie so lange gewesen sei, und er hätte geschworen, wenn sie nicht wieder käme, würde er ihren Kindern die Köpfe abhauen und diese auf einen Weidenzweig ziehen; käme sie aber wieder und hätte sie ihn verraten, so würde er sie dazu umbringen.

Während der Zeit, daß sie dem Stein das klagte, stand die Mutter hinter der Tür und hatte alles gehört, und weil sie ihre Tochter gerne retten wollte, ersann sie eine List.

Als diese zur bestimmten Zeit nach der Höhle zurückkehren wollte, sagte die Mutter: »Hier ist ein Beutel mit Erbsen; den nimm und wie du gehst, laß eine Erbse nach der andern fallen bis dahin, wo der Räuber wohnt.« Die Tochter merkte wohl, was die Mutter im Sinne hatte. Sie hatte den Räuber lieb gehabt; aber da sie nun wieder zu ihm sollte, graute ihr doch vor ihm. Sie nahm daher den Beutel und tat wie ihr gesagt war. Der Räuber war hocherfreut, als sie wieder kam, und nahm sie aufs beste auf. Aber bald kam sie ihm doch wunderlich vor, und er wußte nicht was er denken sollte. »Komm«, sagte er, »kämme mir das Haar und lause mich ein wenig!« Und damit legte er ihr seinen Kopf in den Schoß. Wie sie nun saß, und tat wie er gesagt hatte und sie daran dachte, daß sie ihn verraten habe und er sie doch immer so lieb gehabt hätte, und nun wohl bald die Leute aus dem Dorfe kämen und ihn totschlügen, da ward ihr weich und die Tränen fielen ihr aus den Augen nieder in den Schoß. Als der Räuber nun die warmen Tropfen im Gesicht fühlte, da sprang er auf, ergriff ihre Kinder und tötete eins nach dem andern, zog die Köpfe auf einen Weidenzweig und hängte sie in der Höhle auf. Das mußte sie erst all mit ansehn, und darauf wollte er sich auch über sie her machen. Aber da kamen die Wandelwitzer eben zur rechten Zeit (die Mutter hatte ihnen den Weg gezeigt) und überfielen den Räuber und töteten ihn. Also ward die Tochter gerettet; sie ward in ihrem Leben aber nicht wieder froh und glücklich.

Mündlich und nach Mitteilung des Herrn Schullehrers Knees in Neumünster. – Ähnlich erzählt man eine Räubergeschichte an einer Stelle an der Landstraße zwischen Flensburg und Husum. Die Räuber hatten einen Zwirnsfaden über den Weg gespannt, der eine Glocke in der Höhle anzog; s. Nr. 324. Thiele, Danm. Folkes, I, 361 f. Ein kleines Bettelmädchen, das sie bei sich hatten und das alles für sie einkaufen mußte, verriet endlich alles einem Stein, was Feldarbeiter hörten. Am Sonnabend streut sie Grütze etc. Vgl. Thiele, Danm. Folkes. I, 235, 373, 376. – Vom Papendöneke, einem Räuber, von dem man in Mecklenburg (Firmenich S. 71; Hilscher, Dresdener Totentanz), Lübeck und Hamburg viel zu erzählen weiß, erzählt man in Lauenburg: Papendöneke hatte seine Höhle dicht am Ratzeburger See und beraubte die Lübecker Kaufleute. Jedes Weib, das er raubte, beschlief er, und sobald sie ein Kind geboren, tötete er dasselbe und dann die Frau. Seine siebente Frau hatte er aber zu lieb, er tötete nur ihr Kind, und zog die Köpfe seiner sieben Kinder auf eine Schnur und tanzte herum:

So danzet he,
So danzet he,
So danzt de Papendöneke
Mit sine sœwen Söneke.

Er beschenkte die Frau mit Gold, Edelsteinen und kostbaren Kleidern, und sie erhielt endlich die Erlaubnis, zu Markt zu gehen, nachdem sie mit einem Eide geschworen, keinem Menschen etwas zu verraten. Auf dem Markt in Ratzeburg begegnet ihr aber ihr Bruder, er erkennt sie und fragt, verwundert über ihren Reichtum. Sie kann ihm nicht viel sagen, sondern kauft sich einen Scheffel Erbsen, stellt sich an den großen Stein in der Langebrüggerstraße und klagt dem ihre Not. Darauf nach Hause gehend streut sie Erbsen etc. Papendöneke wird in Lübeck gerichtet. – Vgl. Kuhn, Märk. Sagen Nr. 211, und Harrys Sagen Niedersachsens I, 53.

3.

Caspar Dankwerth in seiner ungedruckten Chronik zum Jahre 1404 (?), wie auch Happelius, der lange Zeit in Hamburg gewohnt, bezeugen, daß man zu ihrer Zeit noch ein altes Lied von Klaas Störtebeker und Göde Micheel gesungen habe. Davon kennt man jetzt nur noch den Anfang, der so lautet:

Störtebek un Gœtmicheel
Roften beid to glike Deel
To Water un to Landen.
Se roften so lang dat't Gott verdroot,
Do worden se to Schanden.

Und eine andre Stelle lautet also:

De bunte Koh ut Flandern kam
Mit êhr stahlifern Hörn.

So hieß nämlich das Schiff, das die Räuber einholte, als der schlaue Fischer ihr Steuerruder angelötet hatte.

Man zeigt in unserin Lande auch noch auf Schmoel, an der Ostsee, hinter dem Schloßgarten auf der Wiese einen Erdhügel, der mit einem breiten Graben umgeben war und von wo aus ein Kanal in die See führte. Da hat Störtebeker einen Wartturm gehabt. Er hatte auch das Gut Bülk im Dänisch-Wohld in Besitz und hatte daselbst ein großes Schloß, wovon man noch viele Überreste findet. Da in der Nähe liegt ein hoher, mit Bäumen bewachsener und von Graben umgebener Berg, der die Störtebekerinsel heißt. Hier hatte Störtebeker seinen versteckten Wartturm, von wo aus er das Meer beobachtete und den vorübersegelnden Schiffen auflauerte.

Dankwerths Chronik in Abschrift auf der Kieler Universitätsbibliothek. Happel, Relat. curios. III, 589. – Die Bruchstücke erhielt ich durch Dr. Klander aus Plön. Das ins Hochdeutsche umgesetzte Lied findet sich vollständig im Wunderhorn II, 167. Fernere Nachweisungen in Dr. Laurents Abhandlung in der Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte Bd. II, Heft 1, S. 59 f., S. 99.

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