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197. Das brave Mütterchen.

Urdsbr. 2, 213.

Es war im Winter und das Eis stand. Da beschlossen die Husumer ein großes Fest zu feiern: sie schlugen Zelte auf und Alt und Jung, die ganze Stadt versammelte sich draußen. Die einen liefen Schlittschuh, die andern fuhren in Schlitten und in den Zelten erscholl Musik, und Tänzer und Tänzerinnen schwenkten sich herum und die Alten saßen an den Tischen und tranken eins. So verging der ganze Tag und der helle Mond ging auf; aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen.

Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten allein in der Stadt geblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre Füße nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen auf dem Deiche stand, konnte sie von ihrem Bette aus aufs Eis hinaus sehen und die Freude sich betrachten. Wie es nun gegen Abend kam, gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaus sah, im Westen ein kleines weißes Wölkchen, das eben an der Kimmung aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war in frühern Tagen mit ihrem Manne zur See gewesen und verstand sich wohl auf Wind und Wetter. Sie rechnete nach: in einer kleinen Stunde wird die Flut da sein, und wenn dann der Sturm losbricht, sind alle verloren. Da rief und jammerte sie so laut als sie konnte; aber niemand war in ihrem Hause und die Nachbarn waren alle auf dem Eise; niemand hörte sie. Immer größer ward unterdes die Wolke und allmählich immer schwärzer: noch einige Minuten und die Flut muß da sein, der Sturm losbrechen; da rafft sie all ihr bischen Kraft zusammen und kriecht auf Händen und Füßen aus dem Bette zum Ofen; glücklich findet sie noch einen Brand, schleudert ihn in das Stroh ihres Bettes und eilt so schnell sie kann hinaus, sich in Sicherheit zu bringen. Da stand das Häuschen augenblicklich in hellen Flammen, und wie der Feuerschein vom Eise aus gesehen ward, stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor ihnen her; der Himmel ward dunkel und bald fing das Eis an zu knarren und zu schwanken, der Wind wuchs zum Sturm, und als eben die Letzten den Fuß aufs feste Land setzten, brach die Decke und die Flut wogte an den Strand. So rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab und Gut daran zu deren Heil und Rettung.

Durch Ludw. Meyn und Herrn Mielck. Vgl. Anm. zu Nr. 195.

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