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20. Hartwig Reventlow

Wir teilen hier alle vorhandenen Versionen der Sage mit, weil kein andres Beispiel so lehrreich und bestätigend für das Dasein eines lebendigen Volksgesanges ist.

(1315.)

1.

Graf Alf auf Segeberg hatte dem Edelmann Hartwig Reventlow Gewalt antun lassen. Da machte dieser sich bei Nacht mit wenigen Leuten auf, wählte einen heimlichen Weg, den er sich gemerkt hatte, nach dem Schlosse zu, stieg über die Mauer und kam unbemerkt in des Grafen Schlafkammer, den er schlafend fand und so gefangen wegführen wollte. Darüber erwachte dieser, griff zu seinem Schwerte und verteidigte sich männlich, ward aber im Kampfe, wiewohl unwillens, von Hartwig erschlagen. Als dieser darauf seinen eignen jungen Sohn, der als Knappe beim Grafen in der Kammer war, erblickte, erstach er auch ihn, damit er nicht später der Verräter seines eignen Herrn gescholten werde, und legte seine Leiche neben die andre. Diese Geschichte ist abgemalet und heutiges Tages noch zu sehen in der Kirche zu Neumünster.

Albert Kranz, Saxon. VIII, 39. Vgl. Johann Petersen (1557) S. 80 und den Presbyter Bremens. S. 53. Dahlmann folgt Albert Kranz, obwohl Detmar S. 203 weiß, daß Adolf im Bette neben seiner Frau ermordet ward; so auch die Nordelvische Sassenchronik im Staatsbürgerl. Magazin 9, 359.

2.

Hartwig Reventlow war ein Hauptmann des Grafen Alf auf Segeberg, und wohnte mit seinem ganzen Hausgesinde bei ihm auf dem Schlosse. Da hat der übermütige Herr sich an seiner Hausfrau, oder wie andre sagen, sich an seiner Tochter vergriffen und sie geschändet. Hartwig, zwar ergrimmt darüber und auf Rache denkend, ließ sich jedoch nichts merken. Eines Morgens, da er wußte, daß der Graf ein großer Liebhaber der Jagd war, klopfte er früh vor Tage an seine Schlafkammer, weckte ihn und sprach, es habe sich ein großer Haufe Wilds blicken lassen, er solle ausstehn, es ließe sich leicht ein guter Fang tun. Als der Graf darauf eilends die Tür auftat, rannte er auf ihn ein und erstach ihn so nackend, wie er war, und dazu seinen eignen Sohn, der bei dem Grafen in der Kammer war.

Albert Kranz, Saxon. VIII, 40. Johann Petersen S. 81.

3.

Vgl. Detlef v. Liliencron Ges. W. 2, 111. Klosterbau als Sühne: Nr. 40, 1 (u. meine Anm.). 160.

Graf Alf auf Segeberg hatte Hartwig Reventlows Tochter geschändet. Als der Vater die Schmach ihres Geschlechtes seinem Bruder erzählte, stieß dieser ohne Scheu starke Drohworte gegen den Grafen aus. Es ward gleich von einem der Leute vom Schlosse hinterbracht, und der Graf entbot den Verwegenen zu sich, und als dieser nichts Böses ahnend kam, ließ er ihn ergreifen und enthaupten. Den Kopf schickte er darauf auf einer Schüssel dem Hartwig durch einen Diener. Da setzte sich dieser auf sein Pferd, nahm den Kopf in seine Hand, und einige Tropfen Bluts trinkend sprach er voll Grimm: »Saget dem Grafen, so gewiß ich hier meines Bruders Blut trank, so gewiß werde ich seinen Tod und den Schimpf des Geschlechtes zu rächen wissen.« Daraus ritt er spornstreichs davon.

Weil er wußte, daß der Graf die Jagd liebte, fällt ihm dieser Fund ein, ihm beizukommen. In einer Sommernacht, als schon das Korn beinahe reif auf dem Felde stand, des Morgens um drei Uhr, lauerte er einem seiner Jäger auf, der früh ausgegangen war, das Wild zu erspüren, und zwang ihn sich auszuziehen. Darauf band er ihn an einen Baum, zog die Kleider selber an und mit des Jägers Pferde und Hunden ritt er Segeberg zu. Der Torwärter meinte, es sei der Jäger und ließ ihn ein. Im Hofe stieg er ab und ging gerades Wegs zu des Grafen Schlafkammer, wie der Jäger gewohnt war, klopfte an die Tür, ein Knabe macht ihm auf; aber kaum trat er ein, redete er den Grafen zornig an: »Du siehst wohl wer ich bin; befiehl Dich Gott; denn Du mußt sterben«, und durchstach ihn nach diesen Worten, während er noch im Bette lag, und zugleich seinen Sohn, den jungen Grafen, der neben seinem Vater schlief. Unerkannt entkam er wieder im Jägerkleid. Zur Buße des Mordes wanderte er bald darauf nach Rom und stiftete das Kloster in Itzehoe. Solange aber das Schloß Segeberg gestanden hat, sind die Blutspuren an der Wand sichtbar geblieben.

Heinrich Ranzau bei Westphalen I, 98, 146 und bei Dankwerth S. 236. Eine abgeschmackte Bearbeitung in Provinzialberichten 1814 S. 211 ff. und von Amalie Schoppe in der Flora von Lotz 1813, Nov.

4.

Vgl. Detlef v. Liliencron Ges. W. 2, 111. Klosterbau als Sühne: Nr. 40, 1 (u. meine Anm.). 160.

Bertha Reventlow gebar dem Grafen Alf einen Sohn, aber obwohl ihm ihre Brüder ernstliche Vorstellungen machten, ließ er das Mädchen in Schande und heiratete sie nicht. Dieser Schimpf ihres Geschlechtes trieb die Brüder zu Drohungen; aber der Graf ward nur dadurch erbittert. Unter dem Scheine der Freundschaft und Versöhnlichkeit lud er sie zu einem Gastmahl ein, ließ vorher das Kind töten und es dann den Oheimen vorsetzen, darauf aber unter einer verdeckten Schüssel den blutigen Kopf auftragen.

Hartwig Reventlow war einer der Brüder Berthas und Oheim des gemordeten Kindes; er beschloß Rache zu nehmen. Nachdem er einem Jäger des Grafen im Walde seine Kleider genommen und sich angetan hatte, ließ er ihn an einen Baum gebunden zurück und kam so, da es noch frühe vor Tage war, unerkannt auf die Burg bis an des Grafen Schlafkammer. Der Knabe öffnete ihm die Tür; – es soll sein eigner Sohn gewesen sein, andre sagen aber des Grafen; – er stach ihn nieder, damit kein Lärm entstünde, und durchbohrte darauf den Grafen, der noch schlafend im Bette lag, mit seinem Hirschfänger. Zur Sühne des Mordes haben Hartwig Reventlow und seine Brüder eine Kapelle bei Segeberg errichtet, wo lange am stillen Freitage den Armen Speise und Trank gereicht ward; sie soll die Berthakapelle geheißen haben.

Mündlich aus Segeberg durch Mommsen, und nach zerstreuten Notizen.

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