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Elisabeths Isolation, ihre Vereinsamung, ließen sie mehr denn je in der Phantasie leben. Die folgende, bis in Einzelheiten ausgeführte Entführungsgeschichte hat keinerlei Bezug zur Wirklichkeit. Sie ist reine Erfindung, spiegelt jedoch zeitgenössische Vorstellungen vom Nationalkampf der Skipetaren wider.
Begonnen am 3. November 1888. Gasturi
Die blaue See, die tiefe blaue See,
Mit ihrem wunderbaren Purpurscheine,
Der sie umschimmert nur in Ioniens Näh',
Der Hellas θαλασσαThalassa – das Meer. nur schmückt, sonst keine,
Sie ruhte heute regungslos und kaum,
Dass am Gestad sich brach der Wellen Schaum.
Und drüben dort Albaniens Bergeontour
Trug flammend hoch in gold'ner Abendröte
Des letzten heissen Sonnenkusses Spur,
Der sie ob ΣχεριαScheria = Korfu.
von West umwehte.
Im hohen lichten Äther aber stand ΣεληνηSelene – der Mond.
Schon im silbernen Gewand.
Von ahnungsvoller Schwermut wie umhaucht,
Gelehnt an eines Gartens niedrer Mauer,
Die ganze Seele in diess Bild getaucht,
So blickte jetzt vertieft in süssem Schauer
Die Fürstin von der Anhöhe herab,
Die waldumkränzt sich senkt zum Meer hinab.
Als rosig heut' die Morgenröt' erwacht,
Da war aus fernem Ostland angekommen
Die Fürstin. Manchen Tag und manche Nacht
Kam über 's Meer ihr stolzes Schiff geschwommen,
Und wie Σχεριασ Küsten sich genaht,
Da winkte froh erregt sie dem Gestade.
Ihr stolzes Schiff verliess sie alsogleich,
Und alles was sie dort mit Pracht umgeben,
Den Hofstaat auch aus ihrem fernen Reich,
Wies sie zurück, der Einsamkeit zu leben;
Ein Leben stillem Sinnen nur geweiht,
Wie es die ferne Heimat niemals beut.
So steht sie nun verlassen und allein
In diesem weltentrückten kleinen Eden,
Die Seele jubelt endlich frei zu sein
Und sprengt entzückt die Ketten und die Fäden
Und jeden bösen Traum, der sie umschlang.
Ihr Trank sei Lethe, ihr Vergessen lang.
Es dunkelt. Wo der Nacht just Abend wich,
Glüht noch im Westen über Σχεριασ Bergen
Des Sonnengott's Geleis, ein Purpurstreich,
Und seufzend reiht sie zu den and'ren Särgen
In's Mausoleum der Erinnerung
Auch dieses Abends Rückgedenkensschwung.
Aufs weite Silbermeer noch einen Blick
Warf sie und trat in's kleine nied're Zimmer,
In das die wilde Rose rankt, zurück;
Durch Thür und Fenster stahl sich Luna's Schimmer,
Des japanes'schen Mispelbaumes Duft
Erfüllte süss berauschend rings die Luft.
Zur Zofe aber und den Mädchen sprach
Die Herrin: »Geht zur Ruh, mich selbst entkleiden
Will ich, doch erst im Gärtchen vor'm Gemach
Lustwandelnd noch am Zauberanblick weiden.«
Die Stunden sanken in den Schoss der Nacht,
Und immer mächt'ger ward Σχεριασ
Im weichen weissen Mantel eingehüllt,
So sass die Fürstin unterm Rosendache,
Das frei im üppigen Gewirr und wild
Beschattend deckt den Eingang zum Gemache;
Es deckte Schlummer ihres Auges Lid,
Und trug sie in das Reich der Träume mit.
In strohgewund'nem Sessel ruhte sie.
Ihr Haar entquoll in langen breiten Flechten,
Die glitten tief hinab ihr unters Knie,
Fast schlangengleich zur Linken und zur Rechten.
Träumt sie vielleicht von Predestination?
Sieht sie im Jenseits ihre Zukunft schon?
Doch weh! Welch schreckensvoller wilder Traum.
O blieb's ein Traum, furchtbarer ist erwachen!
Zu seh'n vermag sie nicht, zu atmen kaum.
Sind's Teufel, die in dieses Eden brachen?
In Finsterniss versenkt, in schwarze Nacht,
Wird sie in Hades dunkles Reich gebracht?
Ein Tuch verhüllt ihr Augen und Gesicht,
Von starken Armen fühlt sie sich gehoben,
Gedämpfter Worte Laut versteht sie nicht,
Fast tödtet sie schon ihres Herzschlag's Toben,
Denn nun ahnt ihr, dass Räuber mit ihr fliehn;
Was in den Sternen steht, muss sich vollziehen.
Den Berg hinab mit raschem sicherm Schritt
Wird eilends jetzt die Fürstin fortgetragen,
Lautlos verhallt der Flieh'nden jeder Tritt,
Lautlos wie ihres armen Opfers Klagen.
Im blauen Äther leuchtet Lunas Schein,
Der Nachtwind säuselt im Olivenhain.
Der Strand, ein kleines Boot vom Fels versteckt
Wird rasch und leis an's Ufer vorgezogen,
Die Beute sorglich erst hineingelegt,
Und bald teilt Ruderschlag die Silberwogen.
Im Meere draussen wiegt sich schlank und leicht
Ein windgeblähter Segler schnell erreicht.
Kaum hat der Anker Freiheit ihm geschenkt,
Entfaltet er die weiten weissen Schwingen,
Und seine Bahn, in Silber schier getränkt,
Eilt er mit raschem Segel zu durchdringen.
Ein scharfer Maestral treibt seinen Flug,
Die Wogen spritzen schäumend um den Bug.
Nun sind die Räuber ihres Raub's gewiss;
Der Fürstin ward das Tuch vom Haupt gewunden,
Der Häuptling selber war's, der dieses hiess,
Doch hilft es jetzt, dass Freiheit sie gefunden?
Von wilden Albanesen nun umringt
Kennt sie ihr Loos, das Schmach und Elend bringt.
In ihrer Seele tobt ein schwerer Kampf,
Wird Todesangst, wird Ehrgefühl jetzt siegen?
Und jeder Nerve steift sich wie im Krampf,
Da vor ihr nun die grossen Fragen liegen:
Ist Selbstmord hier nicht starre bitt're Pflicht,
Die Gnade findet vor des Herr'n Gericht?
Sie wird entführt, geraubt, um schweres Geld,
Unzählige Millionen zu erpressen
Dem Land, wo sie als Fürstin hochgestellt,
Doch dessen Liebe sie niemals besessen;
Auf dieses Land nun bürde sie die Last,
Ein Leben kaufen, welches ihm verhasst?
Daran zu denken giebt ihr Todesmut;
Sie mustert raschen Blickes ihre Lage.
Des Schiffes Rand ist nieder, wo sie ruht,
Kein Grund besteht, dass sie noch länger zage.
Noch einen Blick wirft sie aufs Firmament
Zum Mächtigen, Der Sich Jehovah nennt.
Dann einen Schwung – doch grausames Geschick!
Dem Tod, der ew'gen Freiheit schon so nahe,
Hält sie ein muskelstrammer Arm zurück,
Dass sie dies bitt're Leben neu empfahe.
Und ober ihr da glänzt ein Augenpaar,
Dem Abendsterne gleich, so tief und klar.
In ihre Hände barg sie ihr Gesicht,
Der letzte Hoffnungsstrahl war ihr entwichen,
Es schmerzte sie des Mondes helles Licht,
Der Sterne Glanz schien leichenhaft verblichen,
Der Nachtwind zog ihr fröstelnd durch's Gebein,
Und dumpfer Gleichmut hüllt den Geist ihr ein.
Albanien's Berge steigen nun empor,
Gleich dunklen Riesen aus den Silberwellen,
Es treten Felsen hier und dorten vor,
Verbergend Buchten, weltvergess'ne Stellen,
Von Fischern kaum gekannt, und Jägern nur
Die hieher lockt des wilden Eber's Spur.
In eine solche schwenkt das kleine Schiff,
Der Segelfittig wird rasch eingezogen,
Der schwere Anker rasselt lang und tief,
Und ferne tönt schon das Geräusch der Wogen.
Gleich einem Alpensee liegt still und glatt
Die Bucht, die hier nie Sturm beunruhigt hat.
In das vom Schiff herabgelass'ne Boot
Hebt sorgsam nun der dunkle Mann die Beute,
Derselbe, der entreissend sie dem Tod,
Zurück sie gab dem Elend und dem Leide.
Und doch, wie andachtsvoll er sie berührt
Und ihr die Ehre zollt, die ihr gebührt.
Die and'ren Räuber folgten alle nach,
Und führten nun das Boot mit kräft'gen Schlägen,
Wie langgestählter Arm diess nur vermag,
Dem graubesteinten Festlande entgegen.
Dort sprangen sie behende an das Land,
Und zogen rasch ihr Boot zum rauhen Strand.
Hier harrten ihrer der Genossen zwei
Mit einem Maultier schon. Die bunte Decke
Hieng auf dem hohen Sattel los und frei,
Verbergend seines Holzes rohe Ecke.
Die Fürstin hoben sie nun auf das Thier,
Diess führend schritt der Dunkle neben ihr.
Erst ging es steil bergan im Felsgestein,
Wo keines Baumes, keines Strauches Grünen,
Wo nur vom klaren kalten Mondesschein
Die Blöcke starrten, tageshell beschienen.
Und nur die tiefe Stille unterbrach,
Wenn treibend einer zu dem Thiere sprach.
(Des Maulthier's Tritt; dass Einer flüsternd sprach)
So zogen mühevolle Stunden fort,
Bis endlich die Oktobernacht erbleichte,
Und Purpurröte fern im Osten dort
Den blassen Mond vom Horizonte scheuchte.
Der Sterne Licht erlosch am Himmelszelt,
Und einen neuen Tag gebar die Welt.
Doch war ein and'res auch das Landschaftsbild;
Wo früher kahle Felsen nur gestanden,
Zerklüftet, grau, in Bergen öd und wild,
Wo Ziegenherden keinen Grashalm fanden,
Und hoch der Lüfte Räuber frech und dreist,
Der braune Adler stolz und sicher kreist,
Da waren Wälder jetzt, mit schwerer Frucht
Die alten Eichen standen sie beladen,
In deren Schatten seine Ätzung sucht
Der Eber, selbst von ferneren Gestaden,
Und mächtige Platanen schön zu schau'n,
Hier grün, und dort vom Herbst geküsst schon braun.
In einer Lichtung steht ein Steingehöft,
Verfallen halb, aus alten grauen Mauern,
Auf denen manch Jahrhundert wohl schon schläft,
In deren Inn'rem frostig feuchtes Schauern;
Zwei schmale Lücken stellen Fenster vor,
Zerbröckelnd wölbt sich noch das hohe Thor.
Das Gedicht bricht hier unfertig ab. Das Buch bleibt zur Hälfte unbeschrieben. Spätere Gedichte der Kaiserin sind nicht bekannt.