Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Langbathsee

Zwei kleine Seen am Höllengebirge zwischen Atter- und Traunsee. Am vorderen See war ein kaiserl. Jagdhaus.

(14. August 1888)

Allein im kleinen Jägerhaus,
Allein am stillen See,
Da rückwärts scheint die Welt schon aus
Mit Felsen, Wänden, Schnee.

Ich wandle wie im Traum bei Tag
Im dunklen Fichtenforst,
Auf samt'nem Moos ist mein Gelag,
Der Felsenblock mein Horst.

Der Bergquell springt von Stein zu Stein,
Und rauscht ein Lied dazu;
Die müden Nerven schläfert's ein,
Dem Hirne bringt es Ruh!

Und wie die Sonne tiefer sinkt,
Der Schatten länger wird,
Hat, wo die hohe Felswand blinkt,
Mein Fuss sich hin verirrt.

Sie hebt sich silberweiss und kühn
In's blaue Firmament,
Die Zacken rosenrot erglüh'n,
Das leuchtet, funkelt, brennt.

Tiefstille ist es rings umher,
Und doch, die Stille spricht
Im kühlen Wind vom Felsenmeer,
Der sich im Krummholz bricht.

Und wo die Gemse eben sprang
Entkollert auf der Höh'
Ein Stein, und rollt mit dumpfem Klang
Zur Schutt, in meiner Näh'.

Ein Vogel, durch den Ton geschreckt,
Fleucht auf aus dem Gestein,
Die and'ren hat sein Ruf geweckt,
Sie klagen, pfeifen, schrei'n.

Und dann wird's wieder todtenstill,
Die Stille lauscht und schweigt,
Weil sie den Mond begrüssen will,
Der jetzo langsam steigt.

Der Mond steigt langsam in die Höh',
Langsam kehr ich zurück.
Den Waldespfad zum stillen See,
Des reinsten Smaragd's Stück.

In seinem grundlos tiefen Grün
Trägt er der Buchen Kranz,
Die lieblich sein Gestad umzieh'n
In rotem Sommerglanz.

Darüber spiegelt sich der Tann,
Und dunkel düster nach,
Dass umso schärfer, heller dann
Der Berg sich zeigen mag.

Und wie in Staunen ich vertieft,
Dies lieblich Bild beschau,
Da taucht von Wasser noch umtrieft
Zur Höh' die schönste Frau.

Es schwimmt ihr langes grünes Haar
In Wellen um sie her,
Ihr Aug ist gross und wunderbar,
Die Züge klassisch hehr.

»Najade bin ich hier im See",
So hub sie jetzo an,
»Und an der Menschen Wohl und Weh,
Liegt wenig mir daran.

Doch dich, Titania, mir verwandt,
Seh' ich versenkt in Leid,
Sprich, was hat dich hieher gesandt –
In meine Einsamkeit?"

D'rauf ich: »O holde Schwester mein,
Erleicht'rung wäre schon,
Mit dir zu teilen meine Pein
Doch schwur ich ›Diskretion‹.«


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