Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gastuna

Gastein.

Es tosen und schallen
Die Wasser und fallen,
Sie dröhnen und zischen
Und donnern und gischen.
Von Felsblock und Platten
Im Lichte, im Schatten
Entströmen sie brausend,
Orkangleich ersausend,
Und sprühend und stäubend
Die Lüfte durchtreibend.

Im Schatten der Tannen da steht eine Bank,
Dort sitzet der Jüngling so herzmüd und krank.
Gestützt auf die Hände das trauernde Haupt,
Des Frohsinns, der Jugend auf ewig beraubt.

Da nahet raschen Schritt's heran
Titania,
Und vor ihm stehend hebt sie an:
»Dein Leid ich sah;
Wohlan so sprich und dein Begehr?
Dein langes Fleh'n,
Es brachte endlich mich hieher
Dir Red zu steh'n.«

Der Jüngling aber sinket ihr zu Füssen:
»Nur so Titania darf ich dich begrüssen;
Ich bete dich ja an, und seit zwei Jahren
Hab' rastlos ich die Welt nach dir durchfahren.

Seit mich im Feensaal dein Blick getroffen,
Bist du mein Schicksalsstern, mein Schmerz, mein Hoffen.
O sieh, ich hebe schwörend meine Hände,
Dass meine Liebe treu und ohne Ende!«

Titania spricht:
»Was du mir just vorgetragen,
Sagt mir absolut nicht zu;
In der Treue Fesseln schlagen
Willst die freie Liebe du?
Treue, Liebe ohne Ende,
O wie langweilig klingt das!
Lass sie sinken deine Hände
Samt dem Schwur, den ich vergass.
Heute hier und morgen dorten,
Auf dem Berge, auf dem Meer,
Scherz und Spiel an allen Orten,
Schwebt Titania leicht einher.«

Und sie will fort, doch hat ihr Kleid erfasst
Der Jüngling jetzt mit innigheissem Fleh'n:
»Eh jeder Hoffnungsschimmer mir erblasst,
Gieb morgen mir ein letztes Wiederseh'n.
Mein Herz ist schwer, hat vieles dir zu sagen,
Bestimme dann, ich füg' mich ohne Klagen!«

Die Tage vergehen,
Die Stunden enteilen,
Sich täglich zu sehen
Die beiden verweilen,
Doch quält sie sein Flehen
Mit spöttischen Pfeilen.

Er schmückt sie mit Sprossen
Der Tannen Geschmeide,
Er raubt ihr die Rosen
Der Alpen vom Kleide,
Sie wehrt seinem Kosen
Und lacht seiner Eide.

Sie wandeln im Schatten
Der tiefgrünen Tannen,
Sie ruhen auf Matten,
Die Lenzlüfte spannen
Im Flussbette waten
Sie heiter von dannen.

Die Tage entfliehen,
Die Stunden entweichen,
Die Gletscher erglühen,
Die Gletscher erbleichen,
Doch Lohn seiner Mühen
Bleibt nichts zu erreichen.


 << zurück weiter >>