Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Nur extreme körperliche Anstrengungen – etwa vielstündiges Bergwandern in großem Tempo – konnten Elisabeths Depressionen wenigstens zeitweise mildern: Das folgende Gedicht beruht auf einer touristischen Glanzleistung, der zehnstündigen Überquerung des Toten Gebirges am 21. Juni 1888. Die Tour ist auch durch eine Gedenktafel im Jagdhaus Elmgrub dokumentiert. (Freundl. Auskunft des Heimatmuseums Ausseerland, Bad Aussee).

Der längste Tag. Vom Offensee nach Elmgrub

Der Offense mit dem kaiserl. Jagdhaus.

Titania griff zum Stachelstab,
»Ich muss heut, sprach sie, wandern,
Seen entlang, Thäler hinab,
Von einem Berg zum andern".

Zur Zofe aber: »Allsogleich
Bring' meine gold'nen Schuhe,
Dann dünkt mir jeder Felsen weich,
Und spotte ich der Ruhe.

Denn schwer und schwindlig ist der Weg,
Den ich zu wandern habe,
Die Gemse nur kennt Steig und Steg
Im schroffen Felsengrabe.

Und doch muss ich am Ziele sein
Noch vor dem Abenddunkeln,
Die Bergesspitzen müssen rein
In Purpurglut noch funkeln.

Der Purpur aber muss sich heut
Dem Silberlicht vermählen,
Das ein fast rother Mond ihm beut;
Des längsten Tag's Juwelen.

Der längste Tag, gar kurz die Nacht,
Da heisst es sputen, spinnen;
Vor Tagesanbruch sei's gemacht,
Diess Netz nach meinen Sinnen".

So sprechend trat sie nun hinaus
In's milde Morgengrauen,
Wo vor dem stillen Jägerhaus,
Tiefgrün der See zu schauen.

Ihr nach die dicke Dame d'honneur,Die Hofdame der Kaiserin, Gräfin Sarolta Mailáth.
Die treulich sie begleitet,
Und trotz der achtzig Kilo schwer
Stets mit der Herrin schreitet.

Den beiden schlossen sich nun an
Der Diener und zwei Jäger,
Ein Führer (Kriegs-Steff heisst der Mann)Bergführer Stefan Hopfer, vulgo »Kriag-Stefl«.
Und endlich noch zwei Träger.

So schritten sie den See entlang
Auf thaubedeckten Wegen,
Und aus dem hohen Forste klang
Des Kuckuck's Ruf entgegen.

Sonst ruhte alles noch versteckt
Im dunklen Blätterdome,
Bis Leben nicht die Sonne weckt
Mit mächtig gold'nem Strome.

Stumm zog entlang im hohen Wald
Die kleine Karawane;
Allein die Felswand hebt sich bald,
Die Buche weicht der Tanne.

Den steilen Rinner geht's hinan,
Hinauf zum Rinnerboden,Am 2012 m hohen Rinnerkogel.
Auf Felsenstufen führt die Bahn,
Wer wankt, stürzt zu den Todten!

Doch wuchert hier, berauschend fast,
Süss duftend wilder Flieder;
Titania winket, und voll Hast
Schmückt man ihr Hut und Mieder.

Ob ihrem Haupte klettert kühn
Um scharfes Felsgesteine
Die Gemse; Unten leuchtet grün
Der See im Sonnenscheine.

Ein Blick wird noch thalab gesandt,
Doch wer ist diess zur rechten?
Augstkogelauch: Augsteck (1979 m). wird der Berg genannt,
Dort spuckt's in wilden Nächten.

Und schleunigst eilen alle fort
Auf Platten, Moos und Steinen,
Bis endlich sich die Berge dort
Zum Felsenkessel einen.

Im Kessel liegt der Wildensee,1554 m, nahe dem Abfall des Toten Gebirges zum Offensee.
Tief ernst und trauernd düster,
Die stille Klage dringt zur Höh'
Des Welleszug's Geflüster.

Knapp an dem See dringt aus dem Stein
Der Uferwand zur Linken,
Ein kleiner Quell, eiskalt und rein,
Mit diamantnem Blinken.

Der treue Diener KomareckJoseph Komarek. Leiblakai der Kaiserin.
Füllt flugs den Silberbecher,
Titania, erhitzt vom Weg,
Handtiert den gold'nen Fächer.

Sie will das herrlich frische Nass
Just an die Lippen setzen,
Da ruft Kriegs-Steff: »O lasse das!
Tödtlich möcht's dich verletzen.

Denn wiss, so gehet hier die Sag',
Von diesem Brünnlein trinken,
Heisst, bald erfüllt von Leid und Klag
In Schmerz und Lieb versinken.«

Da lacht Titania hellauf auf
Den Silberbecher hebend:
»Olympos' Götter schauet d'rauf,
Ich trinke mich ergebend!«

Den Becher leert sie fröhlich aus,
Sie leert ihn bis zur Neige;
»Die Liebe schickt ich längst nach Haus,
Sprach längst zum Herzen: schweige.

Sarolta, so zur Dame d'honneur,Elisabeths junge Hofdame, Sarolta Gräfin Mailáth von Székhely, schwärmte für einen Grafen Wolkenstein und wurde deswegen häufig von der Kaiserin geneckt.
An dir ist nun die Reihe,
Auch dein Herz tränke voll und schwer
Diess fordert deine Treue.«

Doch diese sprach: »O Fürstin Dank,
Der Trunk behagt mir nimmer,
Es war mein Herz genugsam krank,
Mir däucht es schmerzt noch immer.«

Die Fürstin weist gen's Felsgestein,
Wo kleine Wölkchen hangen:
»Du denkst noch an den ›Wolkenstein‹
Mit herzstillem Verlangen?«

Doch da sich keiner laben mag
Hier, von den feigen Ander'n,
So eilen sie noch Vormittag
Zur nächsten Alm zu wandern.

Die Wildenseealm1590 m, südlich des Wildensees. ist es jetzt,
Wo sie sich niederlassen,
Wo Wein das müde Blut ergötzt,
Und Milch in ird'nen Tassen.

Behend verteilt die Dame d'honneur
Den Proviant an jeden;
Streicht Butterbrote schnell daher,
Löst der Pakete Fäden.

Dort kaltes Fleisch und Käse hier,
Ei, das scheint euch zu munden;
Es wird der Magen schwerer schier
Bald als der Korb befunden.

Titania sitzt auf hölz'ner Bank,
Die Ander'n ruh'n im Kreise,
Idyllisch webt des Mists Gestank,
Und stört in keiner Weise.

»Nun ihr geschmaust nach Herzenslust,
Muss uns der Kriegs-Steff sagen,
Ob er sich einen Grund bewusst,
Den Namen da zu tragen.«

So frug Titania, und er spricht:
»Das hat wohl sein Bewenden;
Erzählt' ich meine Lebensg'schicht!
Ich könnt' heut nimmer enden.

Zwei Kriege hab ich mitgemacht,
In Schleswig-HolsteinDer schleswig-holsteinische Feldzug 1864 gegen Dänemark, den Österreich und Preußen gemeinsam führten. einen,
War auch in mancher heissen Schlacht,
Man sollt's heut gar nicht meinen.

In WelschlandDer Italienfeldzug 1859, den Österreich gegen Sardinien-Piemont und Frankreich führte und verlor. kriegt ich dieses Loch,
Von einem Hundsfranzosen,
Man sieht den Bajonettstich noch
Hier grad unter der Hosen.

Und weil der Stich im Knie mir sass,
So konnte ich nicht rennen,
Es rannten And're doch fürbass,
Vulgo nennt man's durchbrennen.

So wurde ich denn transportiert
Gefangen nach Marseille
In Genua erst embarkirt
In die Schiffsraumstelle.

Dann brachten sie mich nach Bordeaux,
War das ein schwüles Reisen.
Ich dacht', es gieng schon ewig so
Auf dieser Bahn von Eisen.

Doch kam ich endlich nach Paris
Mit meinem Kniewundwehen,
Die schönste Stadt ist es gewiss,
Doch hab ich's nicht gesehen.

Zwei Tage war ich dorten nur,
Eh' sie mich expedirten,
Man schickte nämlich mich retour,
Diess meine Aventuren.«

»Nein, wie gelehrt der Kriegs-Steff plauscht«,
So flüstern die zwei Jäger,
Und atemlos ihm zugelauscht
Hat jeder der zwei Träger.

Titania aber reicht zum Dank
Voll Milch ihm eine Schale.
»Die macht mir jedesmal Durchgang,
Ich mag's auf keinem Falle.«

Abwehrend spricht's der alte Held,
Und mahnt zum weiterschreiten.
»Schlecht wäre es um uns bestellt,
Sollt uns die Sonn' entgleiten.«

Rasch ist die kleine Schaar empor,
Macht flugs sich auf die Beine,
Noch thatenlust'ger wie zuvor,
Gestärkt, belebt vom Weine.

Schon winkt der Henarwald dort her,
Zur Henaralmsüdlich des Wildensees. hinüber,
Rechts bleibt der finst're Augstecker,
Beim SandFlurname zwischen Henaralm und Breitwiesenalm geht's dann vorüber.

Die Kaiserin übernachtete dann im Jagdhaus Elmgrube (1637 m) nahe dem Elmsee, stieg am nächsten Tag zum Grundlsee ab, übernachtete dort im Hotel Schraml. Am 23. Juni wanderte sie, immer noch geführt von Kriags-Stefl, nach Altaussee und bestieg den Tressenstein (1214 m). Am Sonntag, dem 24. Juni besuchte sie fast unerkannt die Messe in Aussee, fuhr nach Grundlsee und wanderte durch den Koppen nach Obertraun. Diese viertägige Tour ist ein Zeugnis großer touristischer Leistungsfähigkeit.


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