Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Eines der größten Feste der alten Monarchie war die feierliche Enthüllung des von Zumbusch und Hasenauer geschaffenen Maria-Theresien-Denkmals in Wien auf dem Platz zwischen den neuen Hofmuseen. Vor dem Monument war ein Altar errichtet, an dem der Wiener Fürsterzbischof unter Assistenz von zwanzig Bischöfen ein feierliches Tedeum zelebrierte. Für die Mitglieder des Kaiserhauses war ein innen rot ausgeschlagenes Zelt aufgebaut, die Tribünenplätze strengstens nach höfischem Rang verteilt. Eine Unzahl von Militär sperrte den Platz gegen die Bevölkerung ab. Elisabeth nahm an der Feier teil:

Das Fest des 13. Mai 1888.

Weshalb das viele Militär
In Gruppen und Spalieren?
Wozu der Policisten Heer,
Will Wien heut' konspirieren?

O nein! Es feiert nur ein Fest,
Ein Fest der Hof, der Adel,
Zu dem man jeden nahen lässt,
Dess Stammbaum ohne Tadel.

Die Kaiserin der Zopfzeit wird
Jetzt nach hundert und acht Jahren
Als Monument jetzt hoch fêtirt,
D'rum diess abnorm Gebaren;

Desshalb die Tagesordre heut,
Den Plebs ja fern zu halten,
D'rum machen überall sich breit,
Die Sicherheitsgewalten.

Wie ist der Festplatz reich geschmückt;
Inmitten der Museen,
Mit grünem Laubgewind umstrickt
Tribünen ihn umstehen.

Stolz wehen in dem Mittagswind
Schwarzgelb, rotweisse Fahnen
Herab auf Kind und Kindeskind
Zahlloser hoher Ahnen.

Denn diese steh'n, die Häupter hoch,
Rings auf den Prachttribünen.
Welch' grosse Ehren kann man doch
Durch Ahnen sich verdienen!

Doch sind die fremden Höfe auch
Vertreten bei dem Feste
Durch Rock und Ordensband, wie's Brauch,
Und goldgestickte Weste.

In der Museen Fenster sind
Die aufgeblas'nen Zwitter,
Die weder Volk's noch Adels Kind,
Das macht ihr Dasein bitter.Die »zweite Gesellschaft« (Nobilitierte, hohe Bürokratie usw.).

An Letzter'm kriechen sie stets auf,
Um stets herabzurollen,
So geht ihr ganzer Lebenslauf:
Nie das sein, was sie wollen.

Der Prachttribünen Halbkreis hält,
Als Mittelpunkt des Festes,
Das hohe weite Kaiserzelt,
D'rein Habsburg beut sein Bestes.

Doch selbst des Guten giebt's zu viel
Manchmal auf dieser Erden,
Bei Gott! Was soll aus dem Gewühl
Aus Habsburgsprossen werden?

Aus diesem teuren Ornament,Anmerkung im Original: »Mea culpa, mea culpa, m. m. c, zu dem Schreiber dieser Zeilen leider auch gehört.«
Das jedes Land belastet,
Welches sich Monarchie benennt,
(Ob dem das Volk dann fastet).

Doch aller Augen wollen jetzt
Gen's Centrum zu sich kehren;
Dort ward das Monument gesetzt
Ihr, die wir hoch verehren.

Noch ist das Standbild dicht verhüllt,
Als schliefe seine Seele –
Von eigner Wichtigkeit erfüllt
Umsteh'n's die Generäle.

Im weissen Rocke steh'n sie da,
Mit breiten Ordensbändern,
Sie eilten her von fern und nah,
Aus aller Herren Ländern.

Die Liedertäfler harren schon,
Die man befohlen hatte
Zum Fest und bald mit vollem Ton
Erschallt die Festcantate.

Im Goldbrocate aufgebauscht
Der Priester beim Altare
Am Fuss des Postamentes lauscht
Aufs Zeichen der Fanfare.

ZumbuschDer Bildhauer des Maria-Theresien-Denkmals, Kaspar von Zumbusch (1830–1915). ist auch hier aufgestellt,
Dass »Höchstes Lob« ihm werde,
Und Jene, die ihm zugesellt,
Die meisselten die Pferde.

Nachdem man alle Künstler nennt,
Nenn' man auch Hasenauer.Der Ringstraßenarchitekt Karl Freiherr von Hasenauer (1833–1894).
Der schuf das schwarze Postament
(So viel für den Beschauer).

Da dröhnt es jetzt, habt Acht, habt Acht!
Es läuten alle Glocken,
Am Ring die erste Salve kracht,
Es bleibt kein Auge trocken.

»Tedeum« stimmt der Priester an,
Dem folgt die Festcantate,
Dann kommt die Kaiserhymne dran,
Wie auf der Wachtparade.

Die Hülle sinkt, die Hülle fällt,
Beim Donner der Kanonen –
So will des Hofes kleine Welt
Der grossen Kais'rin lohnen.

Die aber blickt befremdet schier
Auf dieses Treiben nieder,
Als wär'n solch Ovationen ihr
Im Grund sogar zuwieder.

Jetzo hebt sie zu reden an
Und spricht die hohen Worte:
»Noch einmal mich der Welt zu nah'n,
Verliess ich schön'reVariante im Manuskript: »bess're?« Orte.

Ihr riefet mich herab zu Euch,
Doch was muss ich gewahren?
Der alte Zopf, er blieb sich gleich
Seit hundert und acht Jahren!

Ihr seid so stolz noch und borniert,
Wie zu den besten Zeiten
Wo ich gepudert, hoch frisiert
Im Reifrock pflegt zu schreiten.

Doch in der Himmelsrepublik
Seit hundert und acht Jahren
Zu weilen war seither mein Glück,
Hab' manches dort erfahren.

Statt Adels-Ordensrittern sah
Ich die des heil'gen Geistes;H. Heines Harzreise
Dass sie mit Nutzen mir dort nah,
Mein Vorschlag er beweist es.

Ich rede nun zu Dir mein Sohn
Und Nachfolger im Reiche,
Der seit der früh'sten Jugend schon
Wie ich erstrebt das Gleiche,

Der seit Decenien treu sich quält,
Rastlos und ohne Zagen,
Und dem doch stets der Glücksstern fehlt
Seit seinen Jünglingstagen.

Befehle deinem Militär
Die Waffen abzulegen,
Gib deinem Volke heut' die Ehr',
Gewiss es bringt dir Segen.

Und sieh', schon stürmt es froh herbei –
Herab mit den Tribünen,
Reisst, schlagt in Stücken sie entzwei,
Dass sie zu Tafeln dienen.

Bekränzt sie mit dem Buchenlaub,
Mit dem der grünen Eichen,
Auf! Schmückt euch selber mit dem Raub,
Ihr sollt heut Göttern gleichen!

Und alle, die sich breit gemacht,
Erst hier auf den Tribünen,
Durch diese sei herbeigebracht
Ein Mahl nach Eurem Sinnen.

Ihr, Habsburgs Sprossen! tretet vor
Aus Eures Zeltes Schatten,
Seid heute selber Dienerchor
Dem Volk von Gottes Gnaden.

Hat dies gezecht nach Herzenslust,
Dann geb' es Gott die Ehre,
Und stimme an aus voller Brust
Das Lied der Himmelschöre.«
Magnificat anima mea Dominum.


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