Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Ich habe verzweifelt.

Jehova! Ich habe verzweifelt
An deiner Barmherzigkeit,
Da ich die Raben gesehen
Mit all' ihrem schweren Leid.

Ich sah sie stürzen und fallen
Hinab in den tiefen Schnee,
Wo sie sich krümmten und wanden,
Verendend im bitt'ren Weh.

Den schwarzen Fittig gespreizet,
Das lichte Auge verdreht,
Ein himmelschreiender Vorwurf,
So war'n sie am Schnee versät.

Die kahlen Bäume die rangen
Die nackten Äste empor;
Es klang wie sprachloses Jammern,
Es ächzte ein stummer Chor.

Jehova! Ich habe verzweifelt
An deiner Barmherzigkeit,
Da ich den Frevel gesehen,
Der jüngst einen SchwanKönig Ludwig II. entweiht.

Verzweifelt lief ich am Ufer
Und schrie hinaus in den See:
»Jehova hat uns verlassen,
Er spielt nur mit unserm Weh!«

Wo ist die Seele des Schwanes,
Den man im Wasser erwürgt?
Wo ist das ewige Leben,
Das man uns heilig verbürgt?

Und sieh', als die Nacht gekommen,
Da stieg ein Engel hervor
Aus weinenden Wasserfluten
Und flüstert' mir leise ins Ohr:

»Die Seele, die du verlangest,
Sie gleitet im grossen All;
Doch mit der deinen sich mengen,
Darf sie nun von Fall zu Fall.Elisabeth war der Meinung, mit dem toten König Ludwig spiritistischen Verkehr zu haben und empfand dies als Geschenk und Beruhigung (Hamann, 432–437).

Du sollst ihr Leiden teilen,
Musst opfern ihr deine Ruh',
Bis eure Seelen einst eilen
Vereint der Ewigkeit zu.«

Jehova! Ich habe verzweifelt
An deiner Barmherzigkeit!
Drum lieg ich, im Staube das Antlitz,
Zur Buss' und Sühnung heut';
»Jehova ist gross und mächtig,
Doch grausam ist die Natur!«


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