Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Zum Empfang der Kaiserin am 3. November 1885 waren Kaiser Franz Joseph und die jüngste Kaisertochter Marie Valerie in die kaiserliche Privatresidenz in Ungarn, Schloß Gödöllö, gekommen. Wieder veranlaßte das Wiedersehen mit ihrem kaiserlichen Gatten Elisabeth dazu, ihre gestorbene Liebe zu beklagen.

Novemberphantasie.

(Gödöllö.)

Es lässt mein Geist dich auf der Erde,
Er ist der Lieb', des Kosens müd;
Ihm leuchtet eine and're Fährte,
die zwischen Sternen hin sich zieht.

Doch selbst in diesen lichten Höhen
Hält fragend er noch einmal an;
Noch einmal muss er rückwärts sehen,
War's Glück da unten, oder Wahn?

Nicht war es Irdischen beschieden,
Den freien Geist zu fesseln lang;
Am längsten hielt'st du ihn hinieden
Bis er empor sich wieder schwang!

Schon schien's, als hätt'st du ihn besessen,
Da schweift er frei ins Geisterreich;
Dir bleibt das Leben und Vergessen,
Die Erde gibt dir, was dir gleich.

Und auf vergang'ne Bilder nieder
Zieh' sorgsam dichten schwarzen Flor,
Dass nirgends sich Erinn'rung wieder
Hier oder dorten dräng' hervor.

Rauscht des Novemberwindes Klage
Durch dürres Eichenlaub daher,
Verschliess' dein Ohr der alten Sage,
Der längstverscholl'nen Wundermär!


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