Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Abschied und Rückfahrt.

15. November.

I.

Es stöhnt der Wind, die Möven klagen
Und graue Wolken fallen ein,
So muss ich Lebewohl heut' sagen
Corfu, dir und dem Sonnenschein?

Lebwohl den weinumrankten Küsten,
Den Höh'n, olivenwaldbedeckt,
Die stets mich heimatlich begrüssten,
Die oft mich bargen, weltversteckt.

Wann werd' ich deinen blauen Fluten
Mein Schifflein wieder anvertrau'n;
Und wann die tiefen Purpurgluten
Auf deinen Wellen wieder schau'n?

Ich rufe Lebewohl auch ihnen,
Den Spielgefährten, dorten zu,
Den ewigspielenden Delphinen,
Den Möven, ohne Rast und Ruh.

Schon trägt der Greif mich in die Ferne;
Corfu, du schwindest meinem Blick!
Des Bären Bild, die Wagensterne,
Sie weisen ihm den Weg zurück.

Doch kehr' ich heim in deine Buchten,
Wenn mir des Lebens Sturm missfällt.
Was ich und meine Möven suchten,
Hier find' ich's – Ruhe vor der Welt.

II.

Du alter Greif, so stöhne
Doch nicht so jammervoll;
Es machen diese Töne
Mich endlich wahrhaft toll!

Du rollst dahin am Meere
Ganz ohne Energie;
Und scheinst mir heut', auf Ehre,
Das schwächste Federvieh.

Durchnässt, durchspült vom Regen,
Schaust du erbärmlich drein;
Der Sturm mit groben Schlägen
Taucht dich ins Salz hinein.

Es folgen gleich den Wölfen
Die Wogen deiner Spur;
Und Möven, böse Elfen,
Die spotten deiner nur.

Doch ich auf deinem Rücken
Erhalte mich kaum mehr;
Als gingest du in Stücken,
So taumle ich umher.

Will uns die See verschlingen,
Ist sie bei Appetit?
Sollt' ihr dies heut' gelingen,
Frisst sie mein letztes Lied.

III.

16. November.

Dem rettenden Hafen, der Schutz uns gewährt,
Entsegeln wir jetzo aufs neue,
Doch, was uns da draussen Poseidon bescheert,
Es liegt noch in wogender Bläue.

Avlona,Bucht von Avlona am Adriatischen Meer in Türkisch-Albanien, Station der Dampfer des österreichischen Lloyd. der friedlichen, gastlichen Bucht,
Ihr winket der Greif noch wie dankend;
Dann wieder, das Flügelpaar breitend zur Flucht,
Entrauschet er, schwankend und wankend.

Doch SasinosSaseno, Insel vor der Bucht von Avlona. Insel hebt deckend sich jetzt,
Versteinert und kahl uns zur Linken;
Nur wehe! nicht lange, auch sie wird zuletzt
In dunstiger Ferne versinken.

Und wieder umzieht sich der Himmel mit Grau,
Poseidons Posaunen erschallen;
Es rollen die Wogen in schwärzlichem Blau,
Die schäumende Locken umwallen.

Du altes Geflügel, du krächzender Greif
Wirst du je die Heimat erreichen?
Es folgt dir der Möven laut höhnender Schweif. –
Ich glaube, sie wittern schon Leichen.

IV.

18. November.

Mitternacht. Das weisse SchlossSchloß Miramare bei Triest, wo der »Greif« anlegte.
Hebt sich aus dem Meeresgrunde;
Und es ist sein Marmor blos,
Der noch Licht beut dieser Stunde.

Mitternacht. Was rauscht so spät
In die Bucht zu Schlosses Füssen?
Kommt der Nachtwind angeweht?
Will der Sturm die Wogen küssen?

Nein! Ein Vogel, gross und weiss,
Kommt zur Bucht jetzt angeschwommen,
Weisse Flügel, weissen Steiss
Sieht man deutlich näher kommen.

Zwiegespräch. Er flüstert leis
Noch mit einer Möve dorten.
Jene ist's, gespensterweiss
Taucht sie auf an allen Orten.

Was die zwei sich wohl gesagt?
Keiner wird es je vernehmen. –
Wissen dürfens nur die Nacht
Und die beiden weissen Schemen.
... (sic)

... Es hat der Greif in dieser Nacht
Von ungefähr, aus Unbedacht
Ein Menschenleben umgebracht ...
...

...Die Möve ist's, die bitter klagt,
Und was sie ihm darob gesagt,
Die beiden wissens – und die Nacht.

Zum Schluß des Bandes »Winterlieder« wiederholt Elisabeth Die letzten beiden Strophen des bereits auf S. 291f. editierten Aufruf es für das Heine-Denkmal in Düsseldorf.


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