Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Trotz Elisabeths leidenschaftlicher Zuneigung zu ihrer jüngsten Tochter kam es gelegentlich zu Zwisten, meist wegen der mütterlichen Überempfindlichkeit. Laut Valerie-Tagebuch vom 1. April 1887 kam es zu einem Zerwürfnis, weil Marie Valerie auf einen Brief ihrer Mutter »ungeduldig geantwortet« habe. Am 4. April schrieb Elisabeth ihrer Tochter, »Mein garstiger Brief habe ihr die Lust zum Schreiben genommen. Mama hat ein Gedicht darüber gemacht, um, wie sie schreibt, es der Nachwelt zu vermachen ... gemeinsamer Familienzug, alles der Nachwelt zu vermachen. Die wird uns wohl einst eine funny family nennen«.

»Mein Liebchen.«

Mein Liebchen, du hast mir geschrieben
Fürwahr einen hässlichen Brief;
Doch ich bin ganz ruhig geblieben,
Zum Glücke, sonst ging es jetzt schief.

Ich sag' es dir ehrlich zum Lobe,
Du hast mich zum Schweigen dressiert,
Und, dass ich wie eh'mals nicht tobe,
Der Ruhm dir allein nur gebührt.

Der Meister war eben zugegen,
Als ich deine Zeilen durchlas;
Drum ward ich ein bischen verlegen,
Und schleunigst bemerkte er das.

Doch ihm kann ich nimmer verhehlen,
Was lieblos die Seele mir rührt;
So musst ich ihm alles erzählen,
Auch, wie schlecht du dich aufgeführt.

Doch schien er durchaus nicht zu staunen;
– Ich sage dir dieses zum Trost –
Nur, dass du mich quälest mit Launen,
Dies hat ihn wohl sichtlich erbost.


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